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Nach dem Fall der Brandmauer: »Aufstand der Anständigen«

Bundesweit demonstrieren Zehntausende gegen Friedrich Merz, seine CDU und das gemeinsame Abstimmen mit der AfD

Eine menschliche Brandmauer um das CDU-Bürgerbüro Charlottenburg-Wilmersdorf.
Eine menschliche Brandmauer um das CDU-Bürgerbüro Charlottenburg-Wilmersdorf.

Kurz bevor sich den zweiten Tag in Folge Menschen vor der CDU-Bundesgeschäftsstelle in Berlin versammeln, um gegen die Zusammenarbeit der Union mit der AfD zu protestieren, besetzt am Donnerstagnachmittag das Bündnis »Widersetzen« mit etwa 50 Aktivist*innen das Büro von Lukas Krieger, dem CDU-Direktkandidaten für den Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf.

Am Schaufenster klebt der Schriftzug »CDU Stoppen – keine Zusammenarbeit mit Faschisten!«. Eine kleine Gruppe nimmt innen Platz und ruft: »Wir, wir sind die Brandmauer!«. Zwei Mitarbeiter verlassen das Büro durch den Hintereingang.

Es ist einer von vielen Protesten an diesem Abend. Eine Reaktion auf den CDU-Antrag für eine weitere Verschärfung der Asylpolitik, der am Mittwoch nur mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit im Bundestag fand. »Wir sind wütend, entsetzt, fassungslos – es scheint keine roten Linien mehr zu geben«, schallt es aus einem Megafon.

Dann trifft der Unionspolitiker Lukas Krieger ein – und zeigt sich entsetzt: »Ich bin gesprächsbereit. Aber wenn Vermummte ein Parteibüro gewaltvoll attackieren, dann verhindert das nur, dass solche Gespräche stattfinden können.« Auf Instagram legt er später nach: »Wer gegen den Faschismus demonstriert und dabei Methoden des Faschismus anwendet, verlässt die Grundlagen eines Diskurses, den wir nach wie vor suchen.« Jule Fink, Pressesprecherin des Bündnisses Widersetzen, bezeichnet diese Vorwürfe als »absurd« und verweist auf den »bunten und friedlichen« Protest. Tatsächlich war vor Ort keine Gewalt zu erkennen, auch wenn die Aktivist*innen das Parteibüro nicht gerade besenrein verließen – die Rede ist aber von Flyern am Boden und Kleberesten an der Fensterscheibe.

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Letzteres hat den Aktivist*innen immerhin eine Anzeige wegen Sachbeschädigung eingehandelt, wie ein Sprecher der Polizei dem »nd« mitteilte. Außerdem ermittle sie, wegen einer Beschädigung der Tür im Bereich des Schlosses. Widersetzen dementiert ein gewaltsames Öffnen der Tür, der Protest habe innerhalb der Öffnungszeiten des Büros stattgefunden. Die Polizei ermittelt eigenen Angaben zufolge außerdem wegen Verdachts auf Hausfriedensbruchs und eines möglichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

Als sie bereits nach wenigen Minuten eintrifft, geben die Aktivist*innen das Bürgerbüro frei und verlassen den Ort. Wenig später versammeln sich erneut Demonstrierende vor einem Gebäude der CDU. Diesmal sind es nicht Dutzende, sondern Tausende. Und sie stehen nicht vor dem Büro eines Kandidierenden für den Bundestag – sondern vor der Parteizentrale, dem Konrad-Adenauer-Haus. Es herrscht Gedränge. Anstelle der angemeldeten 4000 sind nach Polizeiangaben 6000 Personen gekommen, die Veranstalter sprachen sogar von 13 000.

Eine Redner*in verweist auf die »unfassbare Gleichzeitigkeit der Ereignisse«: Kurz bevor die CDU erstmals mit den Stimmen der AfD einen Antrag durch den Bundestag brachte, wurde am selben Ort an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Christoph Bautz, aus dem Vorstand der Kampagnenorganisation Campact bezeichnete den Fall der Brandmauer als einen »Supergau für die Demokratie« und forderte einen »Aufstand der Anständigen«.

Wie Krieger versuchte die Union den Demonstrierenden vor der Parteizentrale das Attribut »anständig« abzusprechen und warf ihnen »Angriffe und Sachbeschädigungen« vor. Sie hatte alle Beschäftigten der Bundeszentrale dazu aufgefordert das Haus früher zu verlassen. Die Polizei spricht indes von einer »friedlichen« und »weitestgehend störungsarmen« Kundgebung. Vier Festnahmen habe es im Zusammenhang mit beschädigten Wahlplakaten und Beleidigungen gegen Polizeibeamt*innen gegeben.

Es sind nicht die einzigen Aktionen an diesem Tag, im gesamten Bundesgebiet gehen Zehntausende auf die Straße. Am Wochenende sollen weitere Demonstrationen folgen.

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