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US-Banken hängen Europäer ab
Börsenboom und Zinssenkungen sorgen für sprudelnde Gewinne bei Finanzkonzernen
Donald Trumps zweite Präsidentschaft beeindruckt auch die US-Finanzindustrie. Seit seiner Wiederwahl sind große US-Banken aus der Klima-Koalition »Net-Zero Banking Alliance« ausgetreten. Ihre Geschäfte florieren weiter prächtig. So hat die Bank of America allein im Schlussquartal netto 6,7 Milliarden US-Dollar verdient, mehr als doppelt so viel wie ein Jahr davor. »Jede Einnahmequelle ist gewachsen«, erklärte Konzernchef Brian Moynihan bei der Bilanzvorstellung.
Wie Morgan Stanley verdoppelte auch Goldman Sachs, angetrieben vom florierenden Investmentbereich, seinen Gewinn im vierten Quartal (auf 4,1 Milliarden Dollar). »Wir sind mit unseren starken Ergebnissen sehr zufrieden«, bilanzierte Chef David Solomon. Sein Institut habe fast alle Ziele, die es sich vor fünf Jahren gesetzt habe, erreicht oder übertroffen. Am meisten sahnte jedoch die größte US-Bank ab: im Schlussquartal betrug der Profit von J.P. Morgan Chase 14 Milliarden Dollar. Auf Jahressicht war dies der größte Gewinn der Firmengeschichte.
»Wir sind mit unseren starken Ergebnissen sehr zufrieden.«
David Solomon Goldman Sachs
Die aufgehellte Stimmung auf dem Finanzmarkt hat auch anderen US-Großbanken wie Citigroup und Wells Fargo zum Teil Rekordergebnisse beschert. Die Gründe sind vielfältig. US-Banken profitierten von der steigenden Anzahl an Firmenübernahmen und Fusionen weltweit, die von ihnen gemanagt werden. Die meisten Institute setzen stärker als ihre europäischen Konkurrenten auf das spekulative Investmentbanking, und diesem halfen die Börsen: Die wichtigsten Aktienkurse legten 2024 im Schnitt um 20 bis 30 Prozent zu.
Konzerne wie die Bank of America, die auch massenhaft Geschäfte mit »kleinen« Privatkunden machen, profitierten zudem von der Zinsentwicklung. Sinkende Leitzinsen der Zentralbank Fed wurden an Kreditkunden kaum oder nur zögerlich weitergegeben, während sich die Refinanzierung der Banken, die sich Geld bei der Fed besorgen, sofort verbilligte.
Diesen klassischen Mechanismus – preiswert Geld leihen, teuer wieder ausleihen – nutzten auch die wichtigsten Geldhäuser Europas. Das ist ein Grund dafür, dass die Finanzinstitute absehbar so viel Geld an ihre Aktionäre weiterreichen wie nie zuvor: Nach ersten Schätzungen werden sich Dividenden und Aktienrückkäufe der Kreditinstitute auf 123 Milliarden Euro summieren. Das ist mehr als im bisherigen Rekordjahr 2023 und ein Zeichen, dass »die mageren Jahre von 2008 bis 2020 für Bankaktionäre« vorbei sind, wie die »Wirtschaftswoche« schreibt.
Demnach wird allein die britische Großbank HSBC 19,3 Milliarden Euro an ihre Anteilseigner weiterreichen. Die französische BNP Paribas folgt mit 11,6 Milliarden Euro und die italienische Unicredit mit 8,8 Milliarden Euro. Auch die deutsche Commerzbank, die sich gegen eine mögliche Übernahme durch die Unicredit wappnet, hat vor wenigen Tagen einen Aktienrückkauf über 600 Millionen Euro abgeschlossen. Von einem solchen Schritt, der die Kurse steigen lässt, profitieren die bisherigen Anteilseigner. Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp will den Aktienkurs hochtreiben, um weniger attraktiv für eine feindliche Übernahme durch die italienische Großbank zu sein.
Auch die Deutsche Bank will Aktien zurückkaufen und zusammen mit der Dividende etwa zwei Milliarden Euro ausschütten. Für den Anspruch, »die führende Bank Europas« zu sein, wie es Bankboss Christian Sewing ausdrückt, ist das allerdings wenig. Der niedrige Quartalsgewinn von 337 Millionen Euro wird mit überraschend hohen Rechtskosten begründet. Im Vorjahresquartal betrug der Gewinn über 1,4 Milliarden Euro.
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Noch liegen nicht alle Zahlen vor. Zudem unterscheiden sich die Bilanzierungsregeln dies- und jenseits des Atlantiks. Eine Analyse der Unternehmensberatung EY für das erste Halbjahr 2024 zeigt jedoch, dass der Nettogewinn der zehn größten europäischen Banken etwa halb so hoch wie der ihrer nordamerikanischen Konkurrenten ausfiel. Dies erklärt sich aus dem größeren Heimatmarkt der US-Banken und den im Schnitt kleineren europäischen Banken. So wäre die Deutsche Bank mit ihrem Geschäftsvolumen in den USA lediglich die Nummer fünf.
Europäische Bankmanager und ihre Verbände wünschen sich daher eine »Konsolidierung« des Marktes, sprich, den Zusammenschluss zu einer Handvoll Geldgiganten nach dem Beispiel der schweizerischen UBS, heute weltweit einer der größten Vermögensverwalter. Und sie fordern von der Politik in Berlin und Brüssel eine »Vollendung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion«, was grenzüberschreitende Geschäfte erleichtern und einen einheitlichen Aktienmarkt in der Eurozone schaffen würde.
Nichtregierungsorganisationen wie Attac und Oxfam haben ganz andere Ideen: Sie fordern eine effizientere Besteuerung der Großbanken und wünschen sich generell ein gemeinwohlorientiertes Bankensystem, das sich auch um das Klima kümmert.
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