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Leag und Kohle: In Brandenburg gibt es ein Leben nach der Grube
Der Energiekonzern Leag strukturiert um. Klimaschützer kritisieren, Gewerkschafter verteidigen die Pläne
Die Umstrukturierungspläne der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) stoßen auf Kritik. Vergangene Woche hatte der Energiekonzern mitgeteilt, die Braunkohlesparte und das übrige Geschäft in zwei eigenständigen Tochterstrukturen voneinander trennen zu wollen. Der Grünen-Kreisverband Spree-Neiße erklärte, dass die Kohlesparte dadurch »de facto in eine Art ›Bad Bank‹ ausgelagert« werde. Es entstünden »erhebliche Risiken für die langfristige finanzielle Absicherung der Rekultivierungskosten«, teilten die Grünen mit. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft IGBCE verteidigen die Pläne als notwendige Schritte der Transformation der Leag.
Unter einer übergreifenden Holding werde es künftig zwei organisatorische Zweige geben, teilte die Leag vergangene Woche mit. In der Leag Gigawatt GmbH werde das Neugeschäft gebündelt. Dazu gehörten die Entwicklung, Errichtung und der Betrieb von Wind- und Photovoltaik-Anlagen, Batteriespeicher und wasserstofffähige Kraftwerke sowie die Produktion und der Vertrieb von Holz-Pellets. Gleichzeitig flankiere man mit der bestehenden Bergbau- und Kraftwerksparte »den zukunftsfähigen Umbau des deutschen Energiesystems«, wie der Vorstandsvorsitzende der Leag, Adi Roesch, mitteilte. Wie es in einer Presseerklärung weiter heißt, erfolge der Umbau des Unternehmens auf Basis »gelebter Sozialpartnerschaft«, er vollziehe sich vor sicheren Rahmenbedingungen und gebe den Mitarbeiter*innen eine klare Perspektive.
»Wir müssen verhindern, dass die Kosten für die Rekultivierung auf die Brandenburger*innen zurückfallen, während die Gewinne bei der Leag bleiben.«
Heide Schinowsky (Grüne) Kreisvorsitzende Spree-Neiße.
Die Grünen sehen in der neuen Struktur der Leag eine »bewusste Trennung von Gewinnen und Risiken«. Während die Sparte der erneuerbaren Energien als ertragreiches Zukunftsgeschäft aufgestellt wird, werde die Braunkohle kaum noch Erträge für die Bergbaufolgenlandschaft generieren, heißt es in einer Mitteilung des Kreisverbandes Spree-Neiße.
Das Bundesberggesetz verpflichtet Bergbauunternehmen zur nachträglichen Wiedernutzbarmachung der Tagebaue. Dass die Leag ihrem gesetzlichen Auftrag der Renaturierung vollumfassend nachkommt, wird öffentlich immer wieder in Zweifel gezogen. So hätten die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen zwar durch die Einrichtung von Vorsorgegesellschaften Sicherungsmaßnahmen eingeleitet. Allerdings steht infrage, inwieweit diese ausreichend sind und ob die Leag nach einer endgültigen Abmeldung der Bergbausparte noch weiter in die Vorsorge investieren würde. Umweltverbände hatten zudem das Geschäftsmodell der Vorsorgegesellschaften als nicht nachvollziehbar bezeichnet.
2016 hatte die Leag die Braunkohlesparte von Vattenfall für einen symbolischen Euro übernommen und zugesichert, jedwede aus dem Bergbau resultierenden Folgekosten zu übernehmen.
Wie die Grünen mitteilen, könnten die Rekultivierungskosten für den Bergbau in Brandenburg und Sachsen mehrere Milliarden betragen. Allerdings habe die Leag laut eigenem Geschäftsbericht von 2023 in die Vorsorgegesellschaft Brandenburg insgesamt nur einen Sockelbetrag von 102,9 Millionen Euro eingestellt. »Wir müssen verhindern, dass die Kosten für die Rekultivierung auf die Brandenburger*innen zurückfallen, während die Gewinne bei der Leag bleiben«, erklärte Heide Schinowsky, Kreisvorsitzende der Bündnisgrünen Spree-Neiße.
Im Gespräch mit »nd« erklärt Toralf Smith, Betriebsrat bei der Leag, die Maßnahmen der Unternehmensführung. »Was sich jetzt vollzieht, ist nichts Neues. Dafür haben wir in den letzten Monaten die Weichen stellt«, sagt Smith am Telefon. Sukzessive würden vor dem Hintergrund des gesetzlich vorgeschriebenen Kohleausstiegs bis 2038 alle Braunkohle-Kraftwerke abgeschaltet. Noch in diesem Jahr würde beispielsweise ein Block im Kraftwerk Jänschwalde in die zeitlich gestreckte Stilllegung gehen, sagt der Arbeitnehmer*innenvertreter. Das Kraftwerk als Ganzes soll dort 2028 abgeschaltet werden.
Parallel dazu baue die Leag einen neuen, zukunftsfähigen Geschäftszweig auf Grundlage klimafreundlicher Energieerzeugung auf, wie es die Ko-Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats formuliert. »6500 Beschäftigte arbeiten heute noch in der Geschäftsstruktur der Braunkohle. Davon sind etwa 300 Kolleg*innen bereits mit Aufgaben des neuen Zweigs befasst. Der stetige Umsiedlungsprozess in den neuen Unternehmensteil beginnt jetzt«, sagt Smith. Der Betriebsübergang erfolge über einen Sozialplan geregelt, aber anders als es geübte Praxis ist: Den betriebsältesten Beschäftigten werde die Möglichkeit gegeben, finanziell abgefedert vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Smith sagt: »Vor allem die jungen (potenziellen) Mitarbeiter*innen, die eine Zukunft im Unternehmen vor sich haben, wollen wir hingegen für den neuen Geschäftsteil gewinnen.«
Mit ihm am Telefon ist auch Anis Ben-Rhouma, Gewerkschaftssekretär und stellvertretender Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) in der Lausitz. »Was die Betriebsräte hier – zugegeben, mit den Kohlemillionen im Rücken – erarbeitet haben, ist der Goldstandard der Transformation«, sagt Ben-Rhouma.
Zu der Frage der Rücklagen will Ben-Rhouma zunächst nichts sagen. Smith hingegen sagt: »Die immer wieder aufkommende Debatte um die Rücklage enttäuscht mich.« Die Leag habe ihren Teil der Zahlungsverpflichtungen für die Vorsorgegesellschaften eingehalten und die Einzahlungen zuletzt sogar noch einmal aufgestockt.
Und, sagt Smith: »Wir sind ja nicht weg. Für die Transformation wird das Altgeschäft bis 2038 weiterbetrieben. Diese Übergangszeiten brauchen Sie auch, die 6500 Kolleg*innen gehen nicht einfach über die Straße und nehmen im neuen Firmenteil ihre Arbeit auf.« Zudem werde die Braunkohle auch temporär noch benötigt.
»Wenn nun aber, anders als versprochen, der Osten abgeschnitten werden soll, sorgt das für Frust und vermutlich auch für unangenehme Wahlergebnisse.«
Anis Ben-Rhouma (IGBCE) Gewerkschaftssekretär
Trotz der milliardenschweren Entschädigung, die die Leag aus Steuergeldern erhält, sieht Smith die Politik in der Bringschuld. »Es war immer die Verabredung, dass der Ausstieg aus der Kohle konditioniert erfolgt. Doch während wir unseren Teil der Verabredung einhalten, sehen wir, dass der Gesetzgeber noch einiges zu leisten hat, insbesondere da das Kraftwerksicherheitsgesetz erst mal auf Eis liegt.« Das Wirtschaftsministerium hatte einen Gesetzentwurf vorbereitet, mit dem die Ausschreibung von neuen wasserstoffbasierten (H2-ready) Kraftwerken sowie Langzeitstromspeichern und die Umrüstung von bestehenden Gaskraftwerken auf Wasserstoffbetrieb geregelt werden sollte.
In dem Gesetzentwurf sei darüber hinaus ein »Südbonus« vorgesehen, kritisiert Smith. »Der Gesetzentwurf sah mitnichten vor, die strukturelle Ost-West-Ungleichheit ausgleichend zu berücksichtigen.« Und Gewerkschafter Ben-Rhouma ergänzt: »Die führenden Betriebsräte und die allermeisten Beschäftigten der Leag habe den Kohleausstieg akzeptiert.« Von der Zeit der Demonstrationen gegen den Kohleausstieg sei man glücklicherweise weit weg. »Wenn nun aber, anders als versprochen, in der gesetzlichen Transformationsgestaltung der Osten abgeschnitten werden soll, sorgt das für Frust und vermutlich auch für unangenehme Wahlergebnisse«, sagt Ben-Rhouma.
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