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Bei Kanzlers und Nichtkanzlers
Mit dem »nd« durch die TV-Duelle (1)
Man kann vom Fernsehen halten, was man will: Es ist immer noch der beste Test für Politiker*innen, ob sie überzeugen können. Zu den vorgezogenen Bundestagswahlen gibt es so viele TV-Duelle wie nie zuvor. Als hätten sich das Fernsehen, das immer weniger schauen, und die Politiker*innen, denen immer weniger glauben, verbündet, um wahrgenommen zu werden. Okay, machen wir. Wir schauen hin, dann müssen Sie, liebe Leser*innen es nicht tun.
Am Donnerstagabend waren im ZDF die Parteien dran, die am kommenden Sonntag bei »Das Duell – Scholz gegen Merz« nicht dabei sind. Ihre Spitzenfunktionäre, bis auf Sahra Wagenknecht (BSW) alles Männer, standen an durchsichtigen Plexiglastischen und ließen sich brav vom souveränen Moderator Andreas Wunn befragen, ohne endlos durchzulabern. Sie kennen die Kürze der Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauenden besser als die aus der Polit-Generation vor ihnen und scheinen auch besser gebrieft zu sein. Zwar murmelten Jan van Aken (Linke), Tino Chrupalla (AfD) und Alexander Dobrindt (CSU) ab und an Kommentare in die Ausführungen der anderen hinein, aber nie stark genug, um das Wort an sich zu reißen (wie es noch Gerhard Schröder oder Jürgen Trittin gewollt hätten).
Am emotionalsten agierte van Aken, als er Chrupalla anraunzte: »Jetzt halten Sie doch mal ihren rechten Rand, ich rede gerade. Sorry.« Moderator Wunn fragte Chrupalla, ob er sich darüber aufrege? Der entgegnete: »Nein, warum soll ich mich darüber aufregen? Ist doch Wahlwerbung für uns.« Direktere Unterstützung bekam die AfD vom BSW und Chrupalla gar nicht erst in die Verlegenheit, beim »Thema Migration« mit seiner schlichten Formulierfähigkeit Rassismus zu verteidigen. Das erledigte schon die gewohnt eloquent und pädagogisch auftretende Wagenknecht, die »Kontrollverlust« und »Politikversagen« geißelte, um zu behaupten, dass die Migranten die billigen Wohnungen wegnehmen würden. Da war sie sich sehr sicher. Dobrindt nickte zustimmend und drückte die Schnittmenge von BSW und CSU etwas staatsmännischer aus: »Wir müssen das Migrationsthema neu ordnen.«
Unsicher war Wagenknecht nur, ob sie ihren ehemaligen Genossen van Aken ebenso duzen sollte wie er sie? Kein Erbarmen mit den Flüchtlingen, das ist der neue Kurs, dem nur van Aken vehement widersprach (und – mit Abstrichen – Felix Banaszak von den Grünen). Van Aken hält dies für eine »Ablenkungsdebatte« und zwar davon, dass »dieses Land kaputt gespart« worden sei: »Wir müssen an die Preise ran, sowohl im Supermarkt, aber vor allem bei den Mieten.« Christian Lindner (FDP) hat auch eine These: »Die AfD macht man nicht klein mit Lichterketten«. Banaszak reagierte umgehend: »Die AfD macht man nicht klein, indem man die Geschichten und Narrative übernimmt, die diese Partei seit Jahren durchs Land treibt.« Da gab es zum ersten Mal Applaus beim Publikum, immerhin.
Welche Typologie bleibt im Gedächtnis? Lindner: Selbstverliebter Lehrer, dem als Einzigen die Wichtigkeit seines sanften Redeflusses einleuchtet, die anderen verstehen es leider nicht. Wichtigster Satz: »Deutschland ist nicht attraktiv für die Talente.« Wagenknecht: Helle Leuchte, die rechts blinkt, weil sie da abbiegen will. Wichtigster Satz: »So. Darf ich auch mal was zu dem Thema sagen?« Van Aken: Intelligenter Gefühlslinker, hart, aber herzlich. Wichtigster Satz: »Wenn’s ’ne Überforderung gibt, lässt sich das mit Geld lösen.« Banaszak: Freundlicher Schulsprecher, reflektiert und kontrolliert. Wichtigster Satz: »Man soll wieder gern in die Schulen und Kitas gehen.« Chrupalla: Eher Schausteller als Schauspieler, wartet auf noch mehr Publikum. Wichtigster Satz: »Die CDU/CSU fordert das ja mittlerweile auch.« Dobrindt: Vornehmer Kellner, sehr selbstgerecht. Wichtigster Satz: »Die Ordnung ist zurzeit nicht gewährleistet.«
Lesen Sie am Dienstag: Das Duell zwischen Noch- und Nochnichtkanzler
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