- Kultur
- Eröffnung der Berlinale
Berlinale: »Die unterschiedlichsten Welten erkunden«
Die Internationalen Filmfestspiele Berlin feiern ihre 75. Ausgabe mit einer neuen Leiterin
Die gute Nachricht ist, dass es bei der Eröffnung der diesjährigen Berlinale keine Rede mehr von Politiker*innen geben wird. Weder die Kulturstaatsministerin Claudia Roth noch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wehner, werden bei der Eröffnungszeremonie auftreten. Das ist eine der Neuerungen, die die seit April 2024 amtierende Intendantin Tricia Tuttle beschlossen hat. Dabei feiern die Internationalen Filmfestspiele Berlin dieses Jahr ihr 75. Jubiläum. Die 55-jährige US-Amerikanerin Tuttle, die zuletzt das London Film Festival geleitet hat, scheint mit diesem Schritt den Fokus auf eine wichtigere Funktion des Festivals richten zu wollen, als eine Bühne für die Politik zu sein. In ihrem Grußwort bei der Pressekonferenz der Berlinale schrieb sie: »Überall auf der Welt ziehen sich die Menschen immer mehr ins Private zurück und sind bereit, das vermeintlich Andere, das vermeintlich Fremde verächtlich zu machen. Das Kino hilft uns, die Welt mit den Augen anderer Menschen zu sehen und ist allein deshalb ein großes Geschenk. In den kommenden Tagen werden die teilnehmenden Filmemacher*innen das Festivalpublikum dazu einladen, die unterschiedlichsten Welten zu erkunden.«
Zum Auftakt der Jubiläumsausgabe wird vor allem die Internationale Jury vorgestellt. Die siebenköpfige Jury leitet dieses Jahr der US-Regisseur Todd Haynes (»May December«, »Carol«). Aus Deutschland sind die Kostümbildnerin Bina Daigeler und die Regisseurin Maria Schrader Mitglieder der Jury. Im Rahmen der Eröffnungsgala wird außerdem die schottische Schauspielerin Tilda Swinton, die mittlerweile fast auf jedem renommierten Festival präsent ist, für ihr Lebenswerk mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet. Anschließend wird der Film »Das Licht« des deutschen Regisseurs Tom Tykwer, der außer Konkurrenz und in der Sektion Berlinale Special Gala gezeigt wird, das Festival eröffnen. Der Film, in dem Lars Eidinger und Nicolette Krebitz die Hauptrollen spielen, erzählt von einer deutschen Mittelschichtfamilie, deren Welt komplett verändert wird, nachdem eine syrische Haushälterin in ihr Leben tritt.
Mit Tricia Tuttle steht zum ersten Mal in der Geschichte der Berlinale eine Frau allein an der Spitze des Festivals. Eine weitere gute Nachricht ist, dass dieses Jahr auch die Zahl der beteiligten Regisseurinnen im Programm gestiegen ist. Bei den 199 Filmen (abgesehen von Retrospektiven oder historischen Werken), die 2025 im Programm laufen, sind 88 Regisseurinnen involviert (41 Prozent). Im Wettbewerb konkurrieren 19 Werke aus 26 Ländern. Bei acht Titeln haben Frauen Regie oder Co-Regie geführt.
Die neue Intendantin hat zudem einen Wettbewerb namens Perspectives für Spielfilmdebüts eingeführt. Die Reihe Perspectives, die an die ehemalige Berlinale-Sparte Perspektive Deutsches Kino erinnert und der Sektion Orizzonti des Venedig-Filmfestivals ziemlich ähnelt, sollte nun neue Talente bei der Berlinale sichtbarer machen. Dafür wurde sogar eine neue Spielstätte geschaffen: Im Stage Bluemax Theater am Marlene-Dietrich-Platz sollen nun vor allem die Premieren der Perspectives stattfinden. Die vom vorherigen Leiter Carlo Chatrian eingeführte Sektion Encounters wurde gestrichen.
Leiter*innen und Sektionen kommen und gehen, doch der südkoreanische Regisseur Hong Sangsoo scheint nach wie vor ein fester Bestandteil der Berlinale zu bleiben. Er hat dieses Jahr schon wieder einen Film im Programm. Bei allen Neuerungen werden also noch einige Traditionen weitergeführt. Auch der Glamour des Festivals wird weiterhin gepflegt. Auf dem roten Teppich werden neben der deutschen Prominenz – unter anderem Sibel Kekilli, Nina Hoss, Rosa von Praunheim, Burhan Qurbani und Edward Berger – internationale Stars wie Robert Pattinson, Timothée Chalamet, Jacob Elordi, Marion Cotillard, Rebecca Hall, Sam Riley, Vicky Krieps, Gaspar Noé, Bong Joon Ho und Ben Whishaw anwesend sein.
Eines der Highlights der 75. Ausgabe, die bis 23. Februar stattfindet, ist der Wettbewerbsfilm »Blue Moon« des bekannten US-Regisseurs Richard Linklater (»School of Rock«, »Boyhood«, »Before«-Filmtrilogie) über den Songwriter Lorenz Hart. Der Film – mit Ethan Hawke, Andrew Scott und Margaret Qualley – erzählt die Geschehnisse in der New Yorker Bar »Sardi’s« am Abend des 31. März 1943 vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs.
Auch der 2021 mit dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnete rumänische Filmemacher Radu Jude präsentiert im Wettbewerb sein neues Werk »Kontinental ’25« über eine Gerichtsvollzieherin, die die Räumung eines Obdachlosen aus dem Keller eines Hauses durchführt und nun mit den tragischen Konsequenzen ihrer Entscheidung leben muss.
Außer Konkurrenz werden unter anderem die Dokumentarfilme »Das Deutsche Volk« und »Je n’avais que le néant – ›Shoah‹ par Lanzmann« (»All I Had Was Nothingness«) in der Sektion Berlinale Special gezeigt. In »Das Deutsche Volk« beschäftigt sich der in Warschau geborene Regisseur Marcin Wierzchowski mit dem rassistischen Anschlag in Hanau im Jahr 2020. Und in »All I Had Was Nothingness« erforscht der französische Filmemacher Guillaume Ribot das unveröffentlichte Filmmaterial von Claude Lanzmanns »Shoah« aus dem Jahr 1985.
Nach einer nicht so erfolgreichen Ausgabe von 2024 unter der Leitung von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek, insbesondere wegen der nicht überzeugenden Filmauswahl des Wettbewerbs, warten nun viele in der Branche darauf, wie die Handschrift der neuen Intendantin das Image der Berlinale prägt. Alle scheinen ihre Arbeit stärken zu wollen. Sogar der Bund hat für diese Jubiläumsausgabe zusätzlich bis zu 1,9 Millionen Euro dazugegeben. Es bleibt zu hoffen, dass ihr die 75. Berlinale gelingt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.