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FDP und Linke gegen Moscheebauprojekt in Wuppertal
Neues Buch über Ditib. Religionspolitische Zeitenwende gefordert
In der Wuppertaler Stadtgesellschaft hat man seit einigen Jahren ein reges Interesse an islamischen Verbänden in Deutschland. Der Grund dafür ist ein Moscheebaustreit mit einer ungewöhnlichen Frontstellung. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) möchte eine neue repräsentative Moschee bauen. Einen Teil des Grundstücks für den Neubau nimmt allerdings das Autonome Zentrum (AZ) ein. Der linke Freiraum will nicht weichen, soll es aber. Vor knapp zwei Jahren gab es einen Ratsbeschluss zum Moscheebau.
Die Debatte, ob die Moschee gebaut werden soll, geht allerdings weiter. Neues inhaltliches Futter gab es am Mittwoch bei einer Veranstaltung mit dem Publizisten Eren Güvercin. Er hat gerade das Buch »Ditib und der ferngesteuerte Islam in Deutschland – Warum wir eine religionspolitische Zeitenwende brauchen« veröffentlicht.
In Wuppertal berichtete Güvercin über Geschichte und Strukturen der Ditib. Mit über 900 Gemeinden ist diese der größte Moscheeverband Deutschlands. Nach außen betont Ditib immer wieder, ein »deutscher Verein« zu sein, erklärte Güvercin. Das passe aber nicht zur Satzung. In dieser nehme ein »Beirat« eine zentrale Rolle ein, der automatisch von türkischen Beamten wie dem Chef der Religionsbehörde Diyanet besetzt wird. »Mit der muslimischen Realität in Deutschland beschäftigen sich nur sehr wenige Politiker«, erklärt Güvercin und wirft weiten Teilen der Politik Ignoranz vor. Historisch habe Deutschland sogar auf Ditib gesetzt. Der Verband des türkischen Staates sei möglicherweise radikalen Vereinen vorgezogen worden. Den Schwenk Erdoğans und der AKP zu offen artikulierten islamistischen Positionen habe man in Deutschland aber verschlafen, sagt Güvercin. Heutzutage sei Ditib ein »wichtiges Einflussinstrument« für den türkischen Präsidenten. Als besonders gravierend schildert der Autor den Antisemitismus in den Ditib-Strukturen. Er plädiert für eine »religionspolitische Zeitenwende«: Statt von anderen Staaten gesteuerter Verbände müsse sich ein eigener deutscher Islam mit unabhängigen Vereinen entwickeln. Vor einer »leichtfertigen Anerkennung« von Ditib als Religionsgemeinschaft warnte Güvercin. Dies würde bestehende Strukturen »zementieren« und damit den Einfluss der Türkei erhalten.
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Kommentiert wurden Güvercins Ausführungen unter anderem von Lale Akgün. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD und Religionskritikerin erzählte aus ihrer Heimatstadt Köln und vom dortigen Moscheebau. Religionspolitisch hat Akgün nicht viel Hoffnung. Die Säkularität in Deutschland sei »religionsfreundlich«, darauf setzten auch »Ditib und Konsorten« und arbeiteten an einer Anerkennung als Religionsgemeinschaften.
Und in Wuppertal? Zur Diskussion waren auch Vertreter*innen von Ditib, Stadt und Parteien eingeladen. Erschienen sind nur Vertreter von der FDP und der Linken. Marcel Hafke, für die Liberalen im Landtag und in Wuppertal Parteichef, erklärte, dass seine Partei am kommenden Montag einen Antrag in den Rat einbringen werde, den Moscheebauplan erst einmal auf Eis zu legen. Zwei Ereignisse hätten ihn dazu bewegt: die Unterstützung Erdoğans für das Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 und ein lokaler Vorfall. Im Herbst waren Fotos von einer Kindergruppe der Ditib öffentlich geworden, auf denen Kinder den Gruß der faschistischen Grauen Wölfe zeigen. Gespräche mit der Ditib im Nachgang hätten keine schlüssige Erklärung ergeben, so Hafke. Der Liberale schlägt vor, dass man mindestens bis zur Kommunalwahl im September eine Diskussion darüber führen sollte, welche »Werte« man in Wuppertal leben wolle und ob eine das Stadtbild prägende Ditib-Moschee dazu passe. Salvador Oberhaus von der Linken schloss sich dem Liberalen weitgehend an und betonte, dass seine Partei generell gegen die Moschee an diesem Standort sei. Es gebe nur wenige unkommerzielle Freiräume wie das AZ und diese müssten erhalten bleiben. Außerdem sei man gegen die rechte Ideologie der Ditib. SPD, Grüne und CDU befürworten bislang das Moscheebauprojekt.
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