- Kultur
- Bundestagswahl
Alice Weidel: Die Kühle mit dem Knötchen
Nahezu jedes bedeutende Medium versucht, der mysteriösen Alice Weidel näherzukommen. Eines ganz besonders
Ist Alice Weidel, die Ko-Führerin der AfD, eine gefährliche Neonazi, wie von den Schmierfinken der Systempresse wiederholt behauptet worden ist? Selbstverständlich lautet die Antwort: Nein. Nur weil jemand seine Freude daran hat, nach Feierabend seine Schlagstocksammlung zu sortieren, sich einer »unzimperlichen Sprache« bedient, manchmal böse guckt und einer in Teilen rechtsextremen Partei vorsteht, ist sie oder er deswegen noch lange kein Nazi.
Trotz der sogenannten Pressefreiheit existieren in Deutschland zurzeit noch ein paar unabhängige Medien, die noch nicht linksgrünversifft und kommunistisch gesteuert sind – und aus diesen kann man sachliche und saubere Informationen über Frau Weidel beziehen. So entsteht ein nicht durch linksextreme Lumpenpropaganda getrübtes Bild dieser eindrucksvollen, mythenumrankten Persönlichkeit, die eine kometenhafte Karriere hingelegt hat.
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Beginn ihrer Laufbahn: Schon während ihres VWL-/BWL-Studiums, das sie »als eine der Jahrgangsbesten abschloss«, zeigte sich die ehrgeizige Superwoman als Fleißkanone: »Da ihr der Unterricht zu träge war, brachte sie sich das Doppelstudium selbst bei.« Weidel, die hochbegabte Doppel-Autodidaktin. Bis heute steht sie frühmorgens auf, »um den Sonnenaufgang zu erleben, im nahen Wald umarmt sie Bäume«.
Nach ihrem Eintritt in die politische Sphäre, beim ersten Auftritt der ehemaligen »Elite-Studentin« als Abgeordnete am Rednerpult, »fixierte sie den Saal aus blanken Augen wie eine Lehrerin eine hoffnungslose Klasse«. Was kein Wunder ist, bedenkt man die traurige Tatsache, dass die aufstiegsorientierte Selfmade-Politikerin fast ausschließlich von stinkfaulem und brummdummem Pack umgeben ist. Nur auf ihre Parteifreunde lässt sie nichts kommen: »Manche sind im persönlichen Gespräch ganz normal.«
Thomas Blum ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der herrschenden sogenannten Realität. Vorerst wird er sie nicht ändern können, aber er kann sie zurechtweisen, sie ermahnen oder ihr, wenn es nötig wird, auch mal eins überziehen. Damit das Schlechte den Rückzug antritt. Wir sind mit seinem Kampf gegen die Realität solidarisch. Daher erscheint fortan montags an dieser Stelle »Die gute Kolumne«. Nur die beste Qualität für die besten Leser*innen! Die gesammelten Texte sind zu finden unter: dasnd.de/diegute
Mutig und mit beträchtlichem rhetorischem Geschick deckt sie seither schonungslos die Mängel unserer verlausten und verrotteten Schweinedemokratie auf: »Kritik, die andere verschweigen oder vorsichtig andeuten, spitzt sie genussvoll zu.« Doch Weidel ist nicht nur engagierte Gesellschaftskritikerin, sie handelt auch. »Als High-Performerin erledigt sie alles ›mit zweihundert Prozent‹«, wie sie sagt. Nur so konnte ihr gelingen, was zuvor in der deutschen Geschichte nur dem Führer gelungen war: Sie »krempelte Deutschland aus dem Stand heraus um«. Da nimmt es nicht wunder, dass es »blutjunge Menschen sind, die jetzt in Scharen der AfD beitreten, für sie die einzige Garantin für eine weniger düstere Zukunft«.
Doch die golden erstrahlende Zukunft, in die wir mit Weidel marschieren werden, ist nicht der einzige Grund für ihre Popularität. Denn neben der genussvoll zuspitzenden Deutschland-Umkremplerin Weidel gibt es auch noch den unverkrampften, aufgeschlossenen Privatmenschen Weidel: »Ein Clip auf Tiktok zeigt sie und ihre Partnerin Sarah im Auto beim vergnügten Sitz-Dance.« Aber nicht nur im Sitztanz und beim Bäume-Umarmen offenbart Alice, wie entspannt, locker, spontan und leidenschaftlich sie sein kann, auch auf einer Bühne: »Entspannt ihre Miene, locker ihre Antworten … Schließlich rief sie spontan ins Publikum, wo sie ihre Freundin wusste: ›Sarah, ich liebe dich!‹« Die Liebe ist eine Himmelsmacht. »Sarahs Gesicht leuchtet von innen, jeden Sonntag geht sie in die Freikirche.«
Auch was Weidels exklusiven Kleidungsstil, den Look und die Frisur der »eleganten, kühl kontrollierten Blondine« angeht, ein cooler, zeitgemäßer Mix aus eleganter, perfekt geschnittener Finanzhai-Uniform und feschem Bund-Deutscher-Mädel-Style, ist bei ihr alles tippi-toppi: Meist trägt sie »einen perfekt sitzenden Hosenanzug, ... assortiert mit einem weißen Rollkragenpulli«. Und manchmal, wenn die blitzgescheite und von Tatkraft durchströmte Alpha-Frontfrau mit den »hell und zuversichtlich« blickenden Augen in kecker Stimmung ist, trägt sie »ihr Blondhaar zum frechen Knötchen« gezurrt.
Doch Blondhaar hin, Knötchen her: Was die bienenfleißige »Wirtschaftsfachfrau« Tag und Nacht hauptsächlich umtreibt, ist die Sorge um unser geliebtes Vaterland. Für Alice Weidel, die »umstrittene deutsche Politikerin«, sind »alle Probleme gleich dringlich. Denn Deutschland steht am Abgrund«. Daher ist ihr »großes Vorbild« nicht etwa, wie man meinen könnte, der zu seinen Lebzeiten umstrittene deutsche Politiker Adolf Hitler, sondern – ausgerechnet! – eine fragwürdige Ausländerin, »die englische Premierministerin Margaret Thatcher«.
Worüber lange niemand sprach: Weidel selbst muss als Geflüchtete, als unbarmherzig politisch Verfolgte begriffen werden, die traumatische, schmerzvolle Erfahrungen machen musste, unter denen sie bis heute leidet: »Auf der Straße riefen Kinder Alice Weidel ›Scheiß-Weidel, Scheiß-AfD, Scheiß-Nazi‹ nach. Noch immer klopft Alice Weidels Herz, wenn sie daran denkt, wie sie, ihren Sechsjährigen an der Hand, den Rufen zu entkommen suchte.« Diskriminierung, Angst, Trauma, Flucht. »Dabei sei sie, sagt sie, ›supersensibel‹ und ›extrem nah am Wasser gebaut‹.« Doch damit des Leids und der Tränen nicht genug. »Am meisten Kraft kosten die psychischen Herausforderungen.« Weidel und ihr seelisches Leid werden vom deutschen Fernsehen auch noch verhöhnt. Fortgesetzt üben die Schergen des Rotfunks verbale Gewalt gegen sie aus und lassen sie nicht zu Wort kommen: »Im Fernsehen wurde sie mit Suggestivfragen bombardiert« und »durfte kaum je ausreden«. Dabei sind ihre politischen Wünsche ja im Grunde bescheiden. Und der Obersalzberg ist tatsächlich nicht so weit entfernt: »Den Blick fest auf die hehren schneegleißenden Gipfel vor dem Panoramafenster gerichtet, erklärte sie ihr Ziel: die AfD zur stärksten Partei Deutschlands zu machen.«
Sämtliche in dieser Kolumne verwendeten Zitate stammen aus einem großen Porträt über Alice Weidel, das die Schweizer Tageszeitung »NZZ« kürzlich verröffentlichte.
Ich bin mir nicht sicher, ob man, um einer besseren Zukunft willen, nicht auf die Lektüre dieses Blattes verzichten sollte. Sicher ist jedenfalls: Das »N« in der Abkürzung »NZZ« steht nicht für das Wort, an das Sie jetzt womöglich denken.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.