- Berlin
- Drohender Abriss
DDR-Erbe in Berlin: Letzte Chance für das SEZ
Hauptstadt-Linke drängt auf Baugutachten zum ehemaligen Sport- und Erholungszentrum in Friedrichshain
Ginge es nach Christian Gräff (CDU), dann ist die Sache klar. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass man mit diesem Gebäude noch irgendetwas anfangen kann«, ruft der baupolitische Sprecher seinem Kollegen Damiano Valgolio (Linke) vor gut einer Woche im Abgeordnetenhaus zu. Aber ganz so klar ist die Sache offensichtlich nicht: Per Antrag fordert die Linksfraktion ein neues Baugutachten und eine Machbarkeitsstudie zum SEZ in Friedrichshain ein. Angesichts der wenigen Freizeiteinrichtungen in der Stadt und dem architektonischen Wert des DDR-Baus sei es absurd, ihn einfach so abzureißen, heißt es darin. Neben einem Ideenwettbewerb für das weitere Vorgehen fordert der Linke-Antrag auch, Zwischennutzungen am Standort zu ermöglichen.
Ganz offensichtlich andere Pläne verfolgt jedoch der Senat, der 500 neue Wohnungen und einen Schulbau auf dem Areal entstehen lassen will. Unter Verwaltung der landeseigenen Bim Berliner Immobilienmanagement und der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), die sich seit Jahresbeginn zuständig zeichnet, ging es zuletzt weitere Schritte in Richtung Abriss. Strom und Wasser wurden Ende vergangenen Jahres im SEZ abgestellt und dem ansässigen Yoga-Veranstalter die Türschlösser ausgetauscht. Dabei hatte die Bim selbst noch bei Übernahme des Gebäudekomplexes angekündigt, dass alte Mieter vorerst im DDR-Bau bleiben könnten. Zurück bleibt der Techno-Club Recede, der über eine autarke Strom- und Wasserversorgung verfügt. Auch er soll bis Ende des Jahres das SEZ verlassen und an einen Ersatzstandort umziehen.
»Es ist ganz klar, dass der Senat plant, das SEZ in einen Zustand zu versetzen, in dem nur noch der komplette Abriss bleibt«, sagt der Linke-Abgeordnete Valgolio zu »nd«. Auf seine Anfrage hin verweist die Senatsfinanzverwaltung unter anderem auf Asbest-Rückstände an einer Brandschutztür, auf unzureichende Beleuchtung von Fluchtwegen, auf fehlende Brandmeldeanlagen und eine nicht vorhandene Notstromversorgung. Um die Probleme zu beheben, sei eine mindestens sechs Monate lange »komplette Neuinstallation« nötig. Die aber rechne sich nicht. Zudem sei mit Liegestaub zu rechnen, dessen »lungengängige Fasern« krebserregend sein könnten.
Valgolio wiederum fasst das folgendermaßen zusammen: »Das ist doch ein Witz: Es geht um eine einzige Türklinke mit Spuren von Asbest, um zu viel Staub und eine fehlende Stromversorgung, die sie vorher selbst gekappt haben.« Er hält es für offensichtlich, dass der Senat neue Diskussionen durch Mieter vermeiden möchte, wenn es schließlich an den Abriss geht. Der Baubeginn am SEZ ist erst für 2028 vorgesehen, mit einer Fertigstellung wird frühestens bis 2031 gerechnet. »Übersetzt bedeutet das: Wir werden hier Mitte der 30er Jahre fertig«, sagt Valgolio. Er befürchtet erste schnelle Schritte, um das Schicksal des Gebäudes zu besiegeln – und eine anschließende Bauruine über Jahre hinweg.
»Wir können es uns nicht mehr leisten, abzureißen«, sagt auch Susanne Lorenz von »SEZ für alle« zu »nd«. Die Initiative setzt sich für einen Erhalt des DDR-Baus ein und beteiligt sich an der neuen Volksinitiative »Bauwende für Berlin«, die auf umweltschonenden Umgang mit Bestandsbauten pocht. Lorenz verweist auf den sich ebenfalls im Abriss befindlichen Jahnsportpark und zeigt sich schockiert vom Vorgehen des Bausenators Christian Gaebler (SPD): »Man bekommt das Gefühl, das ist fast schon ein persönliches Ding mit den Ostbauten. So erreichen wir unsere Klimaziele nie.«
»Es ist ganz klar, dass der Senat plant, das SEZ in einen Zustand zu versetzen, in dem nur noch der komplette Abriss bleibt.«
Damian Valgolio (Linke)
Wahlkreisabgeordneter in Friedrichshain
Dass der Senat hier bezahlbaren Wohnraum entstehen lassen will, lässt Lorenz nur bedingt gelten. Auf dem hinteren Teil des Geländes plane der Senat, Stadtvillen mit privater Parkanlage zu errichten. Im Ortsteil Friedrichshain werde schon jetzt mehr nachverdichtet als anderswo in der Stadt. »Die Abgeordneten sollten im SEZ vorbeikommen und sich selbst ein Bild machen, bevor sie sich ihr Urteil bilden.«
Schwarz-Rot beruft sich bei seinem Vorhaben auf einen Bebauungsplan von 2018, der damals auch von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus mitgetragen wurde. Damals, verteidigt Linke-Politiker Valgolio, seien die Umstände jedoch vollkommen andere gewesen. Um Schadensersatzklagen von Seiten des damaligen Inhabers zuvorzukommen, habe man besonders rentable Bauten wie im hinteren Teil des Areals einplanen müssen. Er sei in erster Linie aufgestellt worden, um den Investor am Bau von Hotels zu hindern. »Inzwischen befindet sich das Gelände aber in öffentlicher Hand«, insistiert Valgolio. »Der Bebauungsplan verpflichtet den Senat nicht zum Abriss. Er lässt die Sanierung und den Fortbetrieb des SEZ zu.«
Valgolio hält auch ein Nebeneinander alter und neuer Elemente als Lösungsansatz für möglich. Eine Prüfung könne Aufschluss über mögliche Varianten geben und Transparenz für die kommende Entscheidung des Senats herstellen. Zur Debatte bei Schwarz-Rot stehen bisher lediglich architektonische Zitate, die in Ergänzung am Neubau an das einstige DDR-Freizeitzentrum erinnern könnten. Zustimmung für den Linke-Antrag signalisierte neben der Grünen-Fraktion auch die AfD-Fraktion.
»Was die AfD sag oder nicht sagt, ist uns völlig egal«, ergänzt Valgolio. Er hoffe allerdings, dass innerhalb der SPD der eine oder andere Abgeordnete aus dem Fraktionszwang ausbricht. »Ich weiß, dass in Friedrichshain ganze Abteilungen in der SPD sich für den Erhalt des SEZ ausgesprochen haben.« Ende Februar soll der Antrag zunächst im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses besprochen werden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.