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Überraschung vom Land
Der KFZ-Mechatroniker Jan Köstering macht antifaschistische Politik im oberbergischen Land. Mit einem Einzug in den Bundestag hat er nicht gerechnet.
Eigentlich dachte Jan Köstering, dass er am Wahlsonntag das Aufregendste schon am Morgen hinter sich hatte. An seinem Wahllokal im oberbergischen Nürmbrecht hingen eine Deutschlandfahne und eine Flagge der AfD. Köstering postete ein Bild davon in den sozialen Medien, verständigte Ordnungsamt und den lokalen Wahlleiter. Die Fahnen wurden minimal verrückt, über den Vorfall wird in der Lokalpolitik noch zu reden sein.
Dass der Wahltag für ihn persönlich spannend würde, damit hatte der 27-jährige Jan Köstering nicht gerechnet. Bei der Listenaufstellung der nordrhein-westfälischen Linken im Januar hatte er sich auf den aussichtsreichen vierten Listenplatz beworben, war aber unterlegen. Er trat weiter hinten wieder an, kam auf den zwölften Platz der Landesliste. Ein Platz, bei dem noch vor Kurzem niemand damit gerechnet hätte, dass er für den Einzug in den Bundestag reichen würde. Den Wahlabend verbrachte Köstering, der 2017 in Die Linke eingetreten ist, »mit unglaublich vielen neuen Genoss*innen« im Parteibüro in Gummersbach. Etwas später im Kreishaus hat Köstering erstmals realisiert, dass die Linke auch in NRW über acht Prozent steht. Dann hat er »im Kopf überschlagen und den Mandatsrechner angeschmissen« und gesehen, dass es reichen könnte. Bis früh um 2 Uhr am Sonntagmorgen verbrachte Köstering seine Zeit damit, die Internetseite der Bundeswahlleiterin zu aktualisieren. Schließlich stand fest, er zieht in den Bundestag ein.
In Nordrhein-Westfalen sitzt Köstering seit 2022 im Landesvorstand und ist dort für antifaschistische Politik verantwortlich. Im letzten Sommer hat er die Proteste gegen den Bundesparteitag der AfD in Essen mit vorbereitet und am Protesttag selbst Janine Wissler bei ihrer Arbeit als parlamentarische Beobachterin unterstützt. Kösterings zweite politische Leidenschaft ist der ländliche Raum. In seinem Dorf leben weniger als 200 Menschen. Die Gemeinde Nürmbrecht besteht aus 91 weiteren Dörfern. Linke-Politik in der politisch tiefschwarzen Provinz, kein leichtes Unterfangen. Trotzdem gelang es Köstering, 2020 in den Gemeinderat von Nürmbrecht einzuziehen.
Jan Köstering macht auf dem Dorf nicht nur Politik, er arbeitet auch dort. In einer Autowerkstatt als Kfz-Mechatroniker. Von den Kolleg*innen habe es erst Glückwünsche gegeben und dann Klagen über den entstehenden »Fachkräftemangel« durch seinen Einzug in den Bundestag. Die Geschichte »Aus der Werkstatt in den Bundestag« interessiert auch den WDR, der sich schon für einen Dreh in der Werkstatt angekündigt hat.
Ein junger Kfz-Mechatroniker aus dem ländlichen Raum in Nordrhein-Westfalen bei der Linken – das ist schon ungewöhnlich. Jan Kösterings Antwort lautet, er sei Antifaschist und für soziale Gerechtigkeit. Die GroKo-SPD sei 2017 keine Option gewesen, die Grünen seien auch damals schon »zu bürgerlich« gewesen. Im Bundestag will Köstering jetzt erst mal »ankommen« und die eigenen Bürostrukturen aufbauen.
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