Ringen um die Immo-Problematik

Mieten, Kaufen, Staat, privat. Die Wohnpolitik der möglichen CDU-SPD-Koalition widerspricht sich

Grundsätzlich fehlen bezahlbare Wohnungen, soweit sind sich CDU und SPD einig. Ihre Ansätze, das Problem zu beheben, divergieren jedoch.
Grundsätzlich fehlen bezahlbare Wohnungen, soweit sind sich CDU und SPD einig. Ihre Ansätze, das Problem zu beheben, divergieren jedoch.

»Man täte gut daran, Wohnraum als eine Infrastruktur wie Straßen oder Schienen zu sehen. Keiner käme auf die Idee, Straßen oder Schienen für etwas zu halten, was von sich auch profitabel sein muss«, fasst Patrick Schreiner, bei der Gewerkschaft Verdi für Wirtschaftspolitik zuständig, seine Gedanken am Montagabend zusammen.

Die Passage im CDU-SPD-Sondierungsprogramm, die ihm bei einer Diskussion zur kommenden Wohnungspolitik Kopfzerbrechen bereitet: »Zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital bei Investitionen wollen wir im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien und privatem Kapital Investitionsfonds auflegen«. Darunter auch für den Wohnungsbau. Dafür gebe es aber keine Notwendigkeit, so Schreiner. »Es gibt hier keinen Mangel an Kapital, sondern einen Mangel an bezahlbarem Wohnbau.« Solle dieser gestärkt werden, sei es nicht sinnvoll, die Rendite-Erwartungen privater Wohnungsunternehmen zu pushen. »Dann brauchen wir eine klare Regulierung und staatliche Investitionszuschüsse, die Wohnungsbau möglich machen.«

Dass grundsätzlich Wohnungen fehlen, darauf können sich SPD und CDU einigen. Wie das verändert werden soll, darin widersprechen sich ihre Ansätze jedoch. Zwar bekennen sich beide Parteien zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Während die SPD jedoch auf serielles Bauen und darüber hinaus auf ein ausführliches Programm zum Mieterschutz setzt, geht es der CDU vor allem um niedrigere Baustandards, um den Markt durch »mehr Angebot zu entspannen«, wie es in ihrem Wahlprogramm steht. Dementsprechend unkonkret bleibt das wohnungspolitische Sondierungsprogramm. Nach einer Mieter*innen-Koalition klingt eine kommende rot-schwarze Regierung jedenfalls nicht. »Alle Wohnformen, ob Eigentum oder Mietwohnung, sehen wir als gleichwertig an«, schreiben die Parteien.

»Je mehr Wohnungen wieder in kommunaler Hand sind, desto besser«.

Melanie Weber-Moritz Deutscher Mieterbund

Konkretes findet sich nur zur Mietpreisbremse, die um zwei Jahre verlängert werden soll. »Das ist deutlich zu wenig«, merkt Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund (DMB) am Montagabend an. Sie erhoffe sich mehr Druck von der SPD in Richtung Koalitionsvertrag – diese hatte ursprünglich eine unbefristete Mietpreisbremse gefordert. Die Mietpreisbremse deckelt die Mieten bei Neuvergaben von Wohnungen in angespannten Märkten. Dort darf der Preis nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen.

Sie zu entfristen und zu schärfen, gehört zu den prioritären Forderungen des DMB. Außerdem fordert dieser, die Verfolgung des Mietwuchergesetzes, laut dem Mieten ab 20 Prozent über dem jeweiligen Mietspiegel illegal sind, zu stärken. Ebenfalls ein Plan, den die SPD laut Koalitionsprogramm verfolgt. Die CDU schreibt dagegen in ihrem Programm, Deutschland sei ein Mieterland, wird darüber hinaus jedoch wenig konkret.

Schreiner sieht nicht ein, warum die Mietpreisbremse »generell noch zeitlich befristet werden müsse«. Es sei inzwischen klar, dass sich der Mietmarkt in den kommenden Jahren nicht durch steigendes Angebot oder nachlassende Nachfrage entspannen würde, starke Regulierung also vor allem in Städten weiterhin wichtig sein würde.

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Laut Forschungsdatenzentrum der Statistischen Daten der Länder und des Bundes und Berechnungen des DMB lebten 2018 bereits 53 Prozent der deutschen Bevölkerung zur Miete. 54 Prozent der mietenden Haushalte gehören laut DMB den unteren 30 Prozent der Einkommensverteilung an. Mietende haben demnach ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 2851 Euro im Monat, Eigentümer 5570 Euro. Jeder dritte Miethaushalt ist von seinen Wohnkosten, Miete und Energie überlastet. Das sind sieben Millionen Haushalte.

Berechnungen des DMB zufolge fallen zudem bis 2035 40 000 Sozialwohnungen pro Jahr aus der auf 20 bis 30 Jahre angesetzten Preis- und Belegungsbindung. Demnach müssten bis dahin 52 000 weitere Wohnungen entstehen, um den jetzigen Bestand zu erhalten. Dafür wäre eine Verdoppelung der aktuellen Fertigstellung nötig. Für Verdi sei deshalb eine »echte« neue Wohngemeinnützigkeit wichtig, so Schreiner. »Unternehmen am freien Markt werden den Bau neuer Wohnungen nicht ausreichend übernehmen. Deswegen wird den Kommunen eine entscheidende Rolle zukommen«, ist er überzeugt. Dafür müsse ein Regelwerk für die Wohngemeinnützigkeit Investitionszuschüsse vorsehen. Diese waren im Konzept der Ampel-Regierung entfallen.

Zwischen 1949 und 1959 bauten gemeinnützige Wohnungsunternehmen 32 Prozent der Sozialwohnungen, nur vier Prozent freie Wohnungsunternehmen. Von 1949 bis 1989 bauten 58 Prozent gemeinnützige, neun Prozent freie. Das zeige, von wem bezahlbarer Wohnraum in größerem Umfang zu erwarten sei, so Schreiner. Im Sondierungsprogramm steht der Plan, den sozialen Wohnungsbau als »wesentlichen Bestandteil der Wohnraumversorgung« auszubauen. Wohnpolitische Sprecher*innen der CDU wollten sich gegenüber »nd« nicht zu den laufenden Koalitionsverhandlungen äußern, aus der SPD gab es bis Redaktionsschluss keine Rückmeldung.

Radikalere Forderungen, wie einen bundesweiten Mietenstopp, den Die Linke in ihr Wahlprogramm schrieb und der sogar zu Mietminderungen führen könnte, unterstützt der DMB nicht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist dagegen Teil des bundesweiten Bündnisses. Die Rückführung privater Wohnungen in öffentliche Hand, wie sie Kampagnen wie Deutsche Wohnen und Co. enteignen fordern, ist für Weber-Moritz keine Priorität, sondern die »Ultima ratio«. »Je mehr Wohnungen wieder in kommunaler Hand sind, desto besser«, erklärt sie dennoch.

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