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Heimstaden: Versteckspiel in Hamburg
QR-Code statt Telefon: Mieter werfen Heimstaden vor, sich durch Digitalisierung aus Verantwortung zu ziehen
»Der schwedische Wohnungskonzern Heimstaden schießt bei der Digitalisierung über das Ziel hinaus und macht sich zunehmend unerreichbar für seine Mieter*innen«, kritisieren Hamburger Mieter*innenvereine und die Mieter*inneninitiative Stop Heimstaden in einer Aussendung. Konkret werfen Heimstaden-Mieter*innen dem Konzern vor, um den Jahreswechsel und zu Beginn des Jahres 2025 Aushänge mit Kontaktdaten zur Verwaltung in den Häusern durch QR-Codes zu dem Online-Portal des Konzerns, »MyHome«, sowie eine Notfallnummer ausgetauscht zu haben. Unter den ursprünglichen Telefonnummern und E-Mail-Adressen sei seitdem niemand mehr zu erreichen.
Der Wohnkonzern widerspricht der Darstellung
Heimstaden widerspricht dieser Darstellung auf »nd«-Anfrage. Wer den Konzern telefonisch kontaktieren wolle, könne dies unverändert, die Kundenservice-Telefonnummer finde sich weiterhin in allen Schreiben, die Heimstaden verschickt. »Gerade ältere oder nicht-internetaffine Menschen werden eher zum letzten Brief greifen, als die Website zu besuchen.« Die Hausaushänge seien angepasst worden, um Mieter*innen zu »animieren, für alle Anliegen, die keine Notfälle sind, das Portal MyHome zu nutzen.« So sollen lange Wartezeiten bei der Kundenhotline verkürzt werden.
In Hamburg hat Heimstaden einen Wohnungsbestand von etwa 4500 Wohnungen. »Wir gehen davon aus, dass die Abschaltung von Telefonkontakten und E-Mail-Adressen flächendeckend erfolgt ist«, erklärt Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein zu Hamburg gegenüber »nd«. Die Notfallnummer stehe nur noch für »sehr eilige Angelegenheiten« wie ausgefallene Heizungsanlagen und akute Wasserschäden zur Verfügung. Einem Heimstaden-Sprecher zufolge stehen Mieter*innen weiterhin Telefon, Post, auf Anfrage Fax und »für Personen ohne MyHome-Zugang das Kontaktformular auf unserer Website« zur Verfügung.
»Heimstaden drückt sich vor Verantwortung«
Bereits jetzt gebe es Mieter*innen, die den Wohnkonzern nicht mehr erreichen könnten, berichten dagegen die Mieter*innenvereine. »Die Mieter*innen müssen teilweise die Mangelbeseitigung selber beauftragen und verauslagte Kosten zurückverlangen beziehungsweise mit der Miete verrechnen«, beschreibt Mann die Situation. Das geht, wenn Mieter*innen Mängel im Voraus angezeigt und eine Frist zu ihrer Beseitigung gesetzt haben. Heimstaden drücke sich mit seinem Vorgehen um die Verantwortung für die Liegenschaften und die Menschen, die darin wohnen, kritisiert Mann.
Nach Angaben von Stop Heimstaden erfolgte die Reduzierung der Kontaktmöglichkeiten gemeinsam mit einer Aufforderung, die Bankdaten zur Rückerstattung von Nebenkosten auf »MyHome« anzugeben. In dem Vorgehen vermuten Mieter*innenverbände den Versuch, Mieter*innen zur Nutzung der Onlineplattform »zu zwingen«. Das sei aber unzulässig, sagt Marc Meyer vom Hamburger Mieterverein Mieter helfen Mietern.
Mieter*innen müssten dem Verfahren gegenüber Heimstaden zustimmen und dürften nicht einfach bei der Geltendmachung von mietrechtlichen Ansprüchen auf die Software verwiesen werden. »Mieter*innen, die das Softwareportal nicht nutzen, weil sie es nicht können oder wollen, dürfen unserer Auffassung nach auch nicht bei der Behandlung ihrer mietrechtlichen Anliegen diskriminiert werden«, fordert Meyer im Gespräch mit »nd«.
Damit sind vor allem ältere und ärmere Mieterinnen gemeint, die die Digitalisierung weiterhin vor Herausforderungen stellt. Grundsätzlich ist es weiterhin möglich, »Guthabenauszahlungen und die Nennung der gewünschten Bankverbindung auf jeden schriftlichen Weg an uns heranzutragen«, so der Heimstaden-Sprecher dazu.
Die Mieter*innen der Heimstaden-Immobilien in Hamburg misstrauen dem seriösen Umgang des Wohnkonzerns mit ihren Daten, seit es 2023 zu hunderten Mieterhöhungen kam. Diese wurden mit dem Berliner Mietspiegel begründet, vorherige und andere Vereinbarungen in den Mietverträgen nicht berücksichtigt. Die Hauptfehlerursache lag in der Datenübertragung aus früheren Systemen, nicht an dem IT-System, das damals ganz neu war, so der Sprecher von Heimstaden: »Unsere Systeme und Prozesse werden laufend weiterentwickelt, verbessert und überwacht.« Zudem werde das Portal in enger Abstimmung mit Heimstadens Datenschutzexperten entwickelt und evaluiert.
Online-Portale bei kommunalen Wohnungsunternehmen
Auch Hamburgs größtes kommunales Wohnungsunternehmen, die Saga Siedlungs-Aktiengesellschaft, nutzt ein Online-Portal für Vertragsdetails, Formulare oder Abrechnungen und um Schäden und andere wichtige Anliegen »rund um die Uhr« zu melden. Das Unternehmen wirbt auf seiner Website damit, dass weiterhin fünf Tage die Woche Angestellte per Telefon oder vor Ort zur Beratung zur Verfügung stehen.
Die Initiative Stop Heimstaden initiiert indes eine Petition zum »Recht auf Leben ohne Digitalzwang«. Darin fordert sie, das Verbot von Benachteiligung und Diskriminierung durch Digitalisierung im Artikel 3 des Grundgesetzes zu verankern.
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