Runde drei bleibt kämpferisch

Trotz bundesweiter Streiks im öffentlichen Dienst wird eine Schlichtung wahrscheinlicher

Vor zwei Jahren sorgte das magere Ergebnis im öffentlichen Dienst für Frust. Eine Option nach weiterer Schlichtung: unbefristete Streiks.
Vor zwei Jahren sorgte das magere Ergebnis im öffentlichen Dienst für Frust. Eine Option nach weiterer Schlichtung: unbefristete Streiks.

Vor der dritten Runde in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen legten auch diese Woche erneut Zehntausende Beschäftigte die Arbeit nieder. »Die öffentlichen Arbeitgeber sollten wissen, dass wir durchsetzungsfähig sind«, zeigte sich der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, kämpferisch. »Unter den Beschäftigten herrscht maximale Verärgerung über die Haltung der Arbeitgeber«, unterstrich er. Die Verhandlungen für die mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten werden diesen Freitag in Potsdam fortgesetzt.

Verdi fordert eine Entgelterhöhung von insgesamt acht Prozent, mindestens aber 350 Euro pro Monat, höhere Zuschläge für Schichtarbeit sowie drei weitere freie Tage plus ein neuartiges »Meine-Zeit-Konto«. Darauf sollen Beschäftigte Überstunden buchen können, um sie später gegen Freizeit einzutauschen. Die Gewerkschaft will so die Belastung reduzieren und die Job-Attraktivität erhöhen, um den Personalmangel zu bekämpfen. Bundesweit seien hunderttausende Stellen unbesetzt, Beschäftigte hätten mehr als 70 Millionen Überstunden angesammelt, lauten Gewerkschaftsangaben.

Bundesweit seien hunderttausende Stellen unbesetzt, Beschäftigte hätten mehr als 70 Millionen Überstunden angesammelt.

Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) und der Bund hatten vor der dritten Verhandlungsrunde noch kein Gegenangebot vorgelegt. Sie begründen das mit der Komplexität der Gewerkschaftsforderungen und mit klammen Kassen. »Wir haben es mit über 20 verschiedenen Einzelforderungen zu tun, die in ihrer Gesamtheit schlichtweg realitätsfern sind«, kritisiert ein VKA-Sprecher auf »nd«-Anfrage. Die Arbeitgeber gehen mit Blick auf den Katalog von Mehrausgaben von insgesamt 15 Milliarden Euro aus (Verdi spricht von 13 Milliarden). Laut VKA befänden sich die kommunalen Haushalte mit einer Gesamtverschuldung von knapp 160 Milliarden Euro schon jetzt in einer schwierigen Lage, heißt es.

VKA-Verhandlungsführerin und Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) steht vor der Herausforderung, die hochgradig heterogenen Interessen der bundesweit mehr als zehntausend kommunalen Arbeitgeber zu einer gemeinsamen Verhandlungsposition zusammenzufassen. Kommunen, die es sich leisten können, zahlen bereits jetzt Zuschläge auf die Tariftabelle und bieten flexible Arbeitszeiten sowie attraktivere Arbeitsbedingungen an, um freie Stellen zu besetzen. Insbesondere ärmere Städte und Gemeinden drängen dagegen auf einen Tarifabschluss, der sie finanziell nicht weiter belastet. Einige VKA-Landesorganisationen, vor allem in Ostdeutschland, pochen auf eine komplette Nullrunde, wie AFP berichtet.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Und auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit durch ein »Meine-Zeit-Konto« stößt bei den Arbeitgebern auf Ablehnung. »Wir sind uns sicher, dass diese Regelung zu einer Verringerung des Arbeitszeitvolumens führen würde, mit gravierenden Folgen«, heißt es. Entweder müsste neues Personal eingestellt werden, was in Anbetracht des Personalmangels unrealistisch sei. »Oder die Arbeit würde auf andere Beschäftigte verteilt, was zu einer höheren Belastung und Arbeitsverdichtung führen würde«, kritisiert die Vereinigung.

Das Problem ließe sich nur politisch lösen, dessen ist man sich auch bei Verdi bewusst. Daher macht sich die Gewerkschaft parallel zu den Entgelt- und Arbeitszeitforderungen für eine umfassende finanzielle Entlastung der Kommunen durch den Bund stark. Eigentlich sind dafür die Länder zuständig. Aber, kritisiert die Gewerkschaft, primär mit Blick auf die Sozialausgaben seien immer mehr Aufgaben durch den Bund auf die Städte und Gemeinden übertragen worden – ohne nachhaltigen finanziellen Ausgleich.

Für Abhilfe kann die sogenannte Altschuldenregelung sorgen, die die amtierende Rest-Bundesregierung aus SPD und Grünen noch Ende Januar auf den Weg gebracht hatte. Danach könnte der Bund unter bestimmten Voraussetzungen einmalig die Hälfte der kommunalen Altschulden übernehmen. Allerdings muss der Gesetzentwurf zunächst das parlamentarische Verfahren durchlaufen und dann ist für die Grundgesetzänderung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Dafür wiederum wäre die neue Bundesregierung, sollten sich Union und SPD auf eine Koalition einigen, auf Stimmen der Grünen und der Linken angewiesen. Anders als mit Blick auf eine Erhöhung des Verteidigungsetats ist mit einer baldigen Entlastung der Kommunen also nicht zu rechnen.

Als wahrscheinlich gilt dagegen mit Blick auf die anstehenden Tarifgespräche, dass die Arbeitgeber nach der dritten Runde auf eine Schlichtung drängen – wie auch vor zwei Jahren. Damals hatte das magere Schlichtungsergebnis bei vielen Beschäftigten für Frust gesorgt. Die Empfehlungen, die aus einem solchen Verfahren resultieren, wären jedoch nicht bindend. Und Verdi könnte nach einer Urabstimmung auch zu unbefristeten Streiks aufrufen. Entsprechende Töne sind bereits jetzt aus der Gewerkschaft zu hören.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -