Horrorclown im Weißen Haus

Die Kulturkritik des Georg Seeßlen: Trump & Co. als eifrige Nachfolger von Thatcher und Reagan

The monsters we create. Die Monster, die wir erschaffen.
The monsters we create. Die Monster, die wir erschaffen.

Regelmäßigen Zeitungsleser*innen ist Georg Seeßlen wegen seiner profunden kulturkritischen Texte bekannt. Er publiziert regelmäßig in »Konkret«, »Taz«, »Jungle World«, »Frankfurter Rundschau« und gelegentlich auch im »nd«. Der Aufstieg von Donald Trump beziehungsweise des Trumpismus ist seit Jahren Gegenstand seiner Artikel. So ist es nicht verwunderlich, dass der geborene Münchner (Jg. 1948) kurz nach dem zweiten Einzug des New Yorker Immobilienhais ins Weiße Haus als 47. US-Präsident ein Buch zu Trump & Co. vorlegt. Es profitiert von Seeßlens großem Wissen über die Mechanismen der Kulturindustrie. Immer wieder vergleicht er aktuelle politische Ereignisse mit bekannten Filmen oder Romanen.

Seeßlen sieht Trump »in der Tradition einer sehr populären Figur, der des schwerreichen Superschurken, der gar nicht anders kann, als nach der Weltherrschaft zu streben«. Er hat auch gleich einen passenden Filmverweis parat: »Schon vom Äußeren her scheint die nächste Verwandtschaft der Goldfinger im James-Bond-Kosmos. Ein massiger Mann, der nie verlieren kann, nicht beim Golfen und nicht mal beim Kartenspiel am Hotelpool, und der mit seinem Goldschmuggel und -raub das internationale Währungssystem ins Chaos stürzen will.« Der leidenschaftliche Cineast zitiert ebenso das filmische Drama »Citizen Kane« von Orson Welles aus dem Jahr 1941 und »There Will Be Blood« von Regisseur Paul Thomas Anderson von 2007, basierend auf den Roman von Upton Sinclair »Öl« (1972). Trump wird bei Seeßlen auch mal zum Horrorclown, »Trickster«, der wütende Idiot. 

Es ist nicht verwunderlich, dass Seeßlen viele Leser*innen im linksliberalen Milieu hat. Schließlich schreibt er gegen alle die an, die in diesem als böse und kriminell gelten, darunter Viktor Orbán, Silvio Berlusconi, Wladimir Putin und Recep Erdoğan, aber auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Westernheld und US-Präsident Ronald Reagan sowie die britische Premierministerin Margaret Thatcher.

Schon der Untertitel macht deutlich, worum es dem Autor geht: »Der un/aufhaltsame Weg des Westens in die Anti-Demokratie«. Hier nimmt er Anleihe bei Bertolt Brecht. Und wie dieser Augsburger bedient er sich gern Vergleichen mit mafiösen Figuren und Strukturen. Manch intellektuellem Leser oder intellektuellen Leserin mag das nicht genügen, wäre mehr tiefgründigere Ideologiekritik wünschenswert gewesen. Denn was bedeutet Demokratie oder Anti-Demokratie? Die sogenannte westliche Demokratie hat in den Jahrzehnten des Kalten Krieges ganz ungeniert Diktatoren in aller Welt unterstützt, Hauptsache, diese positionierten sich klar antikommunistisch. Welche Demokratie ist es also, die heute Trump & Co. gefährden?

Seeßlen betont mehrfach in seinem Buch, dass mit Trump ein verurteilter Straftäter das mächtigste Amt in der Welt innehat. Das stimmt. Doch auch seine Vorgänger, demokratisch gewählt, haben weltweit unliebsame Staatsmänner und Regierungen gestürzt und Kriege mit Millionen Toten angezettelt – ohne dafür je angeklagt zu werden. Genannt seien hier nur Richard Nixon und Georg Bush junior. Die klassische Kapitalismuskritik vermisst man hier. Diese mag auch nicht das vordergründige Anliegen von Seeßlen mit diesem mehr kulturkritischen, zugleich unterhaltsamen und im eleganten Stil verfassten Buch gewesen sein.

Seeßlen weiß natürlich um die Verquickungen von Wirtschaft und Politik. »In den 1970er Jahren begann ein großer Umbauprozess innerhalb der politischen Ökonomie des Westens.« Dieser habe sich von Anfang an mit konservativer, hier und da auch mit antidemokratischer Politik verbunden, bemerkt Seeßlen treffend und erinnert an den Putsch in Chile. Für die insbesondere in den 80er Jahren vollzogenen Weichenstellungen stehen vor allem die Namen von Thatcher und Reagan. Die »Eiserne Lady« war gar eine enge Freundin des chilenischen Militärdiktators Pinochet; und beide rühmten sich, in ihren Ländern den Vormarsch des Sozialismus/Kommunismus gestoppt zu haben. Thatcher und Reagan, aber auch Schröder, so Seeßlen, seien in gewisser Weise Vorläufer der neuen »Volkstribune« Trump, Orbán, Erdoğan und Putin, die Autokraten gleich ihre Person in den Mittelpunkt stellen, parteipolitische Programme sind irrelevant.  Aber natürlich repräsentieren auch diese Populisten ganz konkrete Kapitalinteressen, sollen bestimmte Strategien der Profitsteigerung, des Kampfes um Ressourcen und Absatzmärkte durchsetzen. Diese mögen rabiater als die liberaler Politiker sein, laufen im Kern aber auf das Gleiche hinaus: die Unterwerfung und Ausbeutung der Erde und der Menschheit.

Georg Seeßlen: Trump & Co. Der un/aufhaltsame Weg des Westens in die Anti-Demokratie.
Bertz + Fischer, 235 S., geb., 18 €.

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