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Eberswalder Wohnungen im Taktplan
Genossenschaft von 1893 empfängt an innovativer Sanierung interessierte Gäste aus ganz Deutschland
Drüben stehen noch zwei Wohnblöcke im Originalzustand. Der eine ist für seinen Umbau bereits leergezogen, in dem anderen sind viele Wohnungen nicht belegt. Über zehn Jahre hinweg kämpfte die 1893 gegründete Wohnungsgenossenschaft Eberswalde mit einer hohen Leerstandsquote von 21 Prozent. 750 Wohnungen konnten einfach nicht vermietet werden. Nun sind es noch 182 – fast alle in den letzten beiden unsanierten Gebäuden.
Die fünf Blöcke der Wohnungsgenossenschaft im Karree an der Oderbruch- und der Prenzlauer Straße waren dagegen nach ihrem Umbau schnell belegt. Quartiere mit einem bis zu sechs Zimmern sind dort durch radikale Veränderung der Grundrisse entstanden. Es gibt jetzt Aufzüge, und der Energieverbrauch der Heizungen wird per Funk übertragen – es muss niemand mehr zum Ablesen kommen. Besonders die Fünf- und Sechs-Raum-Wohnungen mit 100 und 120 Quadratmetern seien begehrt gewesen, berichtet Vorstand Volker Klich am Montagnachmittag.
Die Idee, große Wohnungen für große Familien zu schaffen, sei im Vermietungsteam gereift. Denn diese Kollegen wüssten am besten, was gefragt sei, sagt Klich. Nur etwa ein Jahr habe es gedauert, die fünf Blöcke neu herzurichten. 250 Arbeiter waren gleichzeitig auf der Baustelle und hielten sich an enge Taktpläne. Andere Wohnungsfirmen scheuen gewöhnlich das damit verbundene Risiko, berichtet Klich. Denn wenn dabei etwas nicht wie am Schnürchen laufe, gerate alles durcheinander – mit der Folge, dass die Kosten steigen. Klappt alles, wird es jedoch billiger, und die Wohnungen stehen schneller für die Vermietung zur Verfügung.
Da sich das Risiko für die Wohnungsgenossenschaft Eberswalde lohnte, schauen nun teilweise alle 14 Tage Vertreter anderer Genossenschaften und kommunaler Wohnungsgesellschaften vorbei, die dem guten Beispiel folgen möchten. Die Besucher kommen aus ganz Ostdeutschland und sogar aus dem Westen, erzählt Volker Klich. »Sogar die Bundesbauministerin ist darauf aufmerksam geworden und hat sich von uns durchs Viertel führen lassen.«
»Sogar die Bundesbauministerin ist darauf aufmerksam geworden und hat sich von uns durchs Viertel führen lassen.«
Volker Klich Genossenschaftsvorstand
Der für Montag angesagte Brandenburger Infrastrukturminister Detlef Tabbert (BSW) lässt sich von einem Abteilungsleiter vertreten und erklärt via Pressemitteilung: »Der integrierte Ansatz der Stadt Eberswalde in Zusammenarbeit mit der Wohnungsgenossenschaft 1893 zur Qualifizierung des Brandenburgischen Viertels zeigt, wie Stadtentwicklung konstruktiv und miteinander gestaltet werden kann.«
Eine Kooperationsvereinbarung von Stadt, Land und Genossenschaft ermöglichte seit 2020 die Sanierung von 458 Wohnungen, den Bau eines Parkhauses und eines Schulhorts sowie die Begrünung von Innenhöfen, die vorher als Autostellplätze dienten. Eberswaldes Baudezernentin Anne Fellner spricht von einer »Win-win-win-Situation«. Die Genossenschaft habe ihre Bestände erneuern, die Stadt den Hort bauen können. »Und das Land konnte seine wohnungspolitischen Zielsetzungen umsetzen. Insofern hat jeder etwas davon«, meint Fellner. Im Rahmen der Kooperationsvereinbarung sind 268 Sozialwohnungen herausgesprungen. 68 Millionen Euro aus der Wohnraumförderung und 7,4 Millionen aus der Städtebauförderung sind geflossen.
Ob etwas Vergleichbares künftig noch möglich ist, steht in den Sternen. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) wertete den Entwurf des vom Landtag noch nicht beschlossenen Brandenburger Doppelhaushalts 2025/26 aus. Nach seinen Berechnungen »steht schlimmstenfalls eine Halbierung der Wohnraumförderung von bisher 200 auf nur noch 100 Millionen Euro im Jahr im Raum«. Dabei wären angesichts gestiegener Kosten für Bauen, Sanierung und Modernisieren 400 Millionen erforderlich.
Dem Brandenburgischen Viertel von Eberswalde erging es nach der Wende wie vielen DDR-Neubauvierteln. Unzählige arbeitslos gewordene Bewohner zogen in den Westen. Einige Wohnblocks wurden abgerissen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Eberswalde verfügt über eine günstige Bahnverbindung nach Berlin, wo Wohnungsnot herrscht. Die Folge davon: Auch in Eberswalde steigen mittlerweile die Mieten, obwohl die Stadt außerhalb des Berliner Speckgürtels liegt.
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Für das so innovativ umgebaute Karree im Brandenburgischen Viertel möchte die Wohnungsgenossenschaft Eberswalde nach eigenen Angaben je Quadratmeter 8,50 Euro nettokalt. Zum Vergleich: Die im BBU organisierten Brandenburger Wohnungsunternehmen verlangen von ihren Bestandsmietern durchschnittlich 5,81 Euro nettokalt, bei Neuvermietungen 6,77 Euro und im Neubau 12,87 Euro. Die BBU-Firmen aus Eberswalde nehmen von Bestandsmietern im Schnitt 6 Euro.
Wie so ein modernisiertes Haus von innen aussieht, zeigt die Genossenschaft am Montag in der Schwedter Straße. An den Ursprungszustand erinnert fast nur noch das Treppenhaus mit den altbekannten Metallgeländern. Neu sind etwa der Aufzug, die Bäder mit Dusche und auch der mit Holzelementen angebaute Ausgang zu den Autostellflächen hin. Diese Stellflächen gab es bereits in den 80er Jahren. Sie waren aber bei den Bewohnern unbeliebt, weil sie wegen des fehlenden Eingangs auf dieser Seite der Häuser außenherum hätten laufen müssen. Die Leute parkten lieber auf der anderen Seite.
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