Ambulante Medizin im Fokus von Investoren

Medizinische Versorgungszentren haben vermutlich kaum eine Regulierung zu fürchten

Auch an Krankenhäuseren wie hier in Niedersachsen sind häufig Medizinische Versorgungszentren angesiedelt.
Auch an Krankenhäuseren wie hier in Niedersachsen sind häufig Medizinische Versorgungszentren angesiedelt.

Der Koalitionsvertrag kündet auch im Feld der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) Regulierungsabsichten an. Genauer gesagt, geht es um Einrichtungen dieser Art, die von – nichtärztlichen – Investoren betrieben werden (iMVZ). Ein neues Gesetz soll für Transparenz in der Eigentümerstruktur sorgen. Außerdem soll gesichert werden, dass Beitragsmittel – also die der Gesetzlichen Krankenversicherung – »systemgerecht verwendet« werden. Hierzu wären Kontrollpflichten der Kassenärztlichen Vereinigungnen vorstellbar, die verhindern sollen, dass Investoren in den MVZ nur besonders lukrative Fachgebiete

MVZ gibt es etwa 20 Jahren in Deutschland, auch nicht-ärztliche Kapitalgeber sind hier zugelassen. Insgesamt über 20 000 Ärztinnen und Ärzte arbeiten inzwischen in solchen Einrichtungen, unter anderem in der Zahnmedizin, in der Bildgebung (Radiologie) oder in der Augenheilkunde. Der Vorteil für Patienten: Hier bekommt man schnell einen Termin. Andererseits kann man nicht damit rechnen, vom immer gleichen Arzt weiter behandelt zu werden.

Ein Interessensverband stellte in der letzten Woche in Berlin ein neues Gutachten vor, in dem die Erfolgsaussichten für mehr Regulierung der iMVZ umrissen werden. Der Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren e.V. (BBMV) hatte schon 2023 ein solche Gutachten beauftragt, das, wie auch das neue, von Martin Burgi erstellt wurde. Der Jurist ist Ordinarius für Öffentliches Recht und Europarecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Die Bundesärztekammer forderte, die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen durch kommerzielle Fehlanreize besser abzusichern.

BBMV-Vorsitzende Sibylle Stauch-Eckmann wundert sich nicht, dass es die MVZ in den Koalitionsvertrag geschafft haben. Bedenken gegen das Vordringen von Investoren in die ambulante Versorgung kamen in den letzten Jahren aus verschiedensten Richtungen. So forderte die Bundesärztekammer, die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen durch kommerzielle Fehlanreize besser abzusichern oder eine Fokussierung von iMVZ auf besonders lukrative Leistungen zu verhindern. Kritisiert wurde auch die mangelnde Transparenz der Eigentümerverhältnisse. Generell begrüßt der Verband eine Klärung, sagt Strauch-Eckmann.

Gutachter Burgi beruhigt vorab: Aus seiner Sicht gibt es viele Argumente auf verschiedensten Ebenen, die mögliche Verbote oder starke Einschränkungen für die MVZ juristisch aussichtslos erscheinen lassen. Der Jurist folgert aus der nicht geschehenen gesetzlichen Behandlung in der letzten Legislaturperiode, dass die Gemengelage auch von der Bundesregierung für »zu komplex« gehalten wurde.

Europarechtlich spricht laut Burgi schon die Niederlassungsfreiheit eher für auch investorenbetriebene MVZ. Zudem sei die Vergütung in den Zentren bereits stark reguliert, weil die Ärzte ihre Leistungen über die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen abrechnen. Gegen ein Verbot von MVZ etwa mit mehrheitlich nichtärztlichen Anteilseignern spricht auch, dass eine in Einzelfällen nötige Umstrukturierung einige Kosten erzeugen würde. In diesem Zuge könnte das MVZ (erst einmal) aus der Versorgung verschwinden, was aus Patientensicht – und in dem Fall auch aus staatlicher Sicht – unerwünscht ist.

Gegen die im Koalitionsvertrag angesprochene Transparenz der Eigentümerstruktur sei als Ziel nichts zu sagen, so der Gutachter – dann müsste sie aber auch für alle gelten. Vorstellbar ist hier eine sogenannte Schilderpflicht, nach der das MVZ-Schild nach außen auch enthalten muss, wem die Einrichtung gehört. Oder diese Informationen sind in einem Register abrufbar. Wenn solche Pflichten eingeführt werden, müssten sie auch für MVZ gelten, die etwa Kommunen oder Ärzten gehören, und sie seien auch für Krankenhäuser (oder Pflegeheime) denkbar. Fraglich sei hier noch die »Detailtiefe«, etwa wie weit Betiligungsgeflechte dargestellt werden müssten. Das mutet ebenfalls reichlich kompliziert an, so dass für Laien schwer vorstellbar ist, warum ein solcher Aufwand betrieben werden soll.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Wachsamkeit gebiete aber laut Burgi die Frage, inwiefern die bereits vorhandenen MVZ eine Vertrauensschutz genießen, oder ob Restriktionen gegen derlei Unternehmen auch rückwirkend gelten sollen. Auch die jüngsten politischen Vorstöße für die Einschränkung von iMVZ würden gegen Verfassungs- und Europarecht verstoßen, resümiert der BBMV mit Burgi. Insofern ist nachvollziehbar, dass die Branche das Gesetzesvorhaben relativ entspannt sieht.

Zu Wort gemeldet hatte sich in der Sache auch ein weiterer Vertreter vom MVZ-Trägern, der Bundesverband Medizinischer Versorgungszentren. Dessen Geschäftsführerin, Susanne Müller, hätte gegen die Programmatik eines Regulierungsgesetzes ebenfalls keine Einwände. Es gebe kein MVZ, dass mit Strukturtransparenz ein Problem hätte, »vorausgesetzt, es wird nicht eine überbordende neue Transparenzbürokratie geschaffen«, betonte Müller.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.