Pro-palästinensischer Protest: »Blut, Blut, Blut an euren Händen«

In Ulm protestierten Aktivisten mehrere Tage gegen den israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems

  • Anton Benz und Matthias Monroy
  • Lesedauer: 3 Min.
Von Dienstag bis Donnerstag campierten rund 40 Demonstrierende vor einem Standort von Elbit Systems in Ulm
Von Dienstag bis Donnerstag campierten rund 40 Demonstrierende vor einem Standort von Elbit Systems in Ulm

Es war ein Konzert der anderen Art: Am Mittwochmorgen blockierte ein kleines Streichorchester die Zufahrt einer deutschen Niederlassung des israelischen Rüstungskonzerns Elbit Systems in Ulm. Die sieben Aktivist*innen des Netzwerks Lebenslaute wurden von etwa einem Dutzend Protestierenden der Kampagne Shut Elbit Down – Deutschland unterstützt. Am Nachmittag zog eine Demonstration mit etwa 50 Beteiligten durch die Stadt, begleitet von Sprüchen wie »Blut, Blut, Blut an euren Händen« und »Elbit Systems – Kindermörder«.

Seit Dienstag besetzen nach Angaben der Polizei rund 40 Personen eine Grünfläche in Sichtweite des Rüstungskonzerns. Angereist aus dem gesamten Bundesgebiet, haben sie etwa ein Dutzend Zelte unmittelbar vor dem Ulmer Standort von Elbit Systems Deutschland aufgeschlagen.

»Wir demonstieren in Ulm, weil wir uns den internationalen Kampagnen gegen Elbit unter anderem in Großbritannien, den USA und Schweden anschließen, die eine Schließung der Niederlassungen von Elbit fordern«, sagt eine Aktivistin der Kampagne, die namentlich nicht genannt werden möchte, gegenüber »nd«. Von der Bundesregierung fordern die Aktivist*innen einen Stopp aller Rüstungsexporte an Israel sowie die Einstellung jeglicher Zusammenarbeit der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie mit Bildungseinrichtungen.

Im Zuge der Proteste nahm die Polizei drei Anzeigen auf, wie das »nd« auf Nachfrage erfuhr. Darunter eine Ordnungswidrigkeit, ein Verdacht auf Hausfriedensbruch sowie eine nicht angemeldete Versammlung.

Elbit Systems entwickelt und liefert Systeme für Heer, Luftwaffe, Marine und den militärischen Cyberraum sowie für zivile Sicherheitsanwendungen. Diese werden unter anderem nach Europa verkauft – und dort auch teilweise hergestellt. In Ulm entwickelt und fertigt die deutsche Tochtergesellschaft nach eigenen Angaben moderne militärische Kommunikationsgeräte, etwa Funkgeräte für die Bundeswehr. Auch Nachtsichtgeräte, Zieloptiken und Abwehrsysteme gegen Raketenangriffe werden dort hergestellt.

Zudem arbeitet das Unternehmen an Drohnen und Systemen zur Drohnenabwehr – Technologien, für die sich Bundeswehr und andere Nato-Staaten interessieren. Erst vor Kurzem wurde der Standort Ulm ausgebaut, um dem wachsenden Geschäft und steigenden Mitarbeiterzahlen gerecht zu werden. 2024 ist der Gesamtumsatz von Elbit Systems um über 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.

»Für uns ist es unerheblich, ob die Funkgeräte von Elbit aus Ulm bei der Bundeswehr oder dem israelischen Militär landen, weil der Standort immer noch Teil von Elbit ist und somit einen der größten Profiteure des Völkermords in Gaza repräsentiert«, heißt es von Shut Elbit Down.

Ob Israel einen Völkermord an den Palästinenser*innen verübt, ist Gegenstand eines Verfahrens vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH). Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch sehen den Tatbestand eines Genozids indes bereits bestätigt. Elbit Systems Deutschland äußerte sich auf Nachfrage des »nd« bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorwürfen, die die Aktivist*innen gegen das Unternehmen erheben.

Als Vorbild für ihren Protest dienen ihnen die Aktionen des britischen Netzwerks Palestine Action: Offenbar als Folge anhaltender Proteste dieser und weiterer Gruppen verkaufte Elbit Systems 2022 eine große Fabrik im englischen Oldham. Sie hatten den Standort wegen der Unterdrückung und Bekämpfung von Palästinenser*innen mehrfach mit Farbe angegriffen, Fensterscheiben eingeschlagen und Zufahrten blockiert. Trotz verstärkter Sicherheitsmaßnahmen und baulichen Maßnahmen gelang es Elbit nicht, die Produktion zuverlässig aufrechtzuerhalten.

Bevor die Aktivist*innen am Donnerstagnachmittag das Camp auflösten, gab es noch eine Art Abschiedskonzert für Elbit. Diesmal ertönte ein Rapsong aus einem Lautsprecher. Der Refrain: »Free, Free Palestine«. Bis zu einem Wiedersehen wird es nicht lange dauern – seit Dezember 2023 demonstriert die Gruppe regelmäßig in Ulm.

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