Zauber und Zorn

Tanz im August

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

An 17 Tagen 34 Produktionen aus aller Welt, darunter sechs Uraufführungen und 20 Deutschlandpremieren – das war die 21. Ausgabe des Berliner Festivals »Tanz im August«. Als Klammer diente das Motto »Listen« (engl. hören): Ist Tanz mit Musik verbunden, gibt es immer auch etwas zu hören; Stile wie Flamenco erzeugen hörbare Eigenarten, und selbst Tanz in der Stille lebt vom inneren, wiewohl lautlosen Rhythmus.

Unter den Gastspielen namhafter Choreografen hinterließen zwei Beiträge aus Afrika den tiefsten Eindruck. »Poussières de Sang« der Compagnie Salia ni Seydou aus Burkina Faso untersucht den Hintergrund von Gewalt: Bewaffnete Unruhen überschatteten im Dezember 2007 die Eröffnung ihres choreografischen Zentrums in der Hauptstadt Ouagadougou. Gesang einer Frau, leise, traurig, anklagend, begleitet den Zeitlupenkampf zweier Männer (Foto: Antoine Tempé), Rempelei zu Live-Musik erfasst mit nervös sich schüttelnden Körpern auch die anderen Tänzer. Eine Lösung bietet das Stück nicht, aber poetische Bilder aus afrikanischem und zeitgenössischem Tanz in bodenständiger Synthese. In »More, More, More … Future« entkleidet Faustin Linyekula den Ndombolo, Pop aus Kinshasas Nachtklubs, seiner schillernden Fassade und konfrontiert ihn mit aufrührerischen Texten eines Polithäftlings zu einer deprimierenden Sicht auf den Kongo: mit Zorn, doch wenig Hoffnung.

Tanzgeschichte präsentierte die Französin Anne Collod: »Parades & Changes, Replays« rekonstruiert ein Stück von Anna Halprin, das 1965 mit Nacktheit schockte, in den USA lange verboten war. Von der kulinarischen Massenskulptur bis zum drapierten Wanderobjekt reicht der unverkrampfte Umgang mit Sexualität. Der Kanadier Benoît Lachambre musste als scheinbar computeranimierte Figur in weißem Kabinett und fast erschlagen von rasch wechselnden Projektionen allein agieren, weil Partnerin Louise Lecavalier aus familiären Gründen verhindert war. Hatte sein »Is You Me« dennoch Reiz, geriet »The Song« der Belgierin Anne Teresa De Keersmaeker zur Enttäuschung. In dem mit zwei Stunden um 40 Minuten zu langen Männer-Stück berichtet der Tanz nichts als sich selbst und erzielt trotz vorzüglicher Tänzer wenig Wirkung.

Aus einem knappen Dutzend organischer Miniaturen baute der Schweizer Thomas Hauert in »Accords« für seine Gruppe ZOO mit strudelnden Formationen und beziehungsvollen Duos eine Entdeckungsreise ins Land purer Bewegung entlang klassischer Musik. War der finale lichtvolle Walzer dem Zauber abträglich, so schossen sich auch Cecilia Bengolea und Francois Chaignaud in »Sylphides« mit ihrem Schluss ein Eigentor: Als luftabgesaugte Wesen in Latexkissen agieren sie lange wie auferstandene Epitaphien-Reliefs, bis sie sich häuten und zu banal hüpfenden Zerrbildern werden.

Positiv: die jungen Choreografen hatten ihr eigenes Podium; den hier teils zur Schau gestellten Dilettantismus sollte sich ein Internationales Festival aber nicht leisten.

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