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Und was kommt nach der Krise?
ROTE GEGENKONZEPTE ZU SCHWARZ-GELB
Vor einem Jahr starrte die ökonomisch interessierte Welt wie das Kaninchen auf die Schlange: Die Finanzkrise schien das kapitalistische Wirtschaftssystem in den Abgrund zu reißen. Auch unter Linken gab es erstaunlich viele, die glaubten, der Kapitalismus zerstöre sich zumindest in seiner neoliberalen Form selbst. Eine grandiose Fehleinschätzung, wie man eigentlich hätte wissen können: Der Kapitalismus braucht auf dem Höhepunkt der Party eine Krise, um ökonomische Ungleichgewichte abzubauen und danach marktbereinigt sowie politisch rundumerneuert wieder durchstarten zu können – bis zum nächsten Crash.
Auf dem Buchmarkt ist eine wahre Flut von Analysen erschienen, in denen kaum ein Krisendetail unbeleuchtet blieb. Die eigentlich interessante Frage, welche alternativen Perspektiven Linke für die Zeit danach anzubieten haben, spielte aber nur am Rande eine Rolle. Eine Lücke, welche eine Neuveröffentlichung jetzt zu schließen versucht.
Herausgeber Hermannus Pfeiffer hat eine illustre Schar linker Experten von Rudolf Hickel bis Sahra Wagenknecht, von Harry Nick bis Winfried Wolf versammelt. Das Ergebnis ist keine in sich geschlossene, abstrakte Gesellschaftsvision. Es geht um einzelne Politikfelder – Konjunkturprogramme, Verkehrs- und Energiepolitik, die Finanzbranche oder die soziale Polarisierung –, wo es linke Analysen und Regulierungskonzepte gibt, die »in unserer Gesellschaft mehrheitsfähig und politisch durchsetzbar« sein dürften, wie Pfeiffer schreibt.
Für den Finanzexperten, dem geneigten ND-Leser als Autor bestens bekannt, ist aber ebenso klar, dass es »des gesellschaftlichen und politischen Drucks (bedarf), der unter anderem ›von unten‹ kommen muss«. Die Beiträge summieren sich trotz durchaus differierender Ansätze der Autoren zu einer Art Gegenkonzept zur drohenden Rundumerneuerung unter schwarz-gelben Vorzeichen. Quasi als Klammer der Detailvorschläge fordert Jörg Goldberg, dass linke Reformprojekte das grundsätzliche Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Demokratie im Blick behalten sollten. Auch die Bankenrettung und die Konjunkturprogramme seien eben nicht »als Paradigmenwechsel oder Rückkehr zum Keynesianismus« zu verstehen, sondern »nur Bestätigung und Verfestigung der neoliberalen Orientierung«. Deren Kern sei neben der Umverteilung von Einkommen auch die Entdemokratisierung. Aus dieser Perspektive sind für Goldberg eine linkskeynesianische Politik der Nachfrageorientierung und Umverteilung sowie Verstaatlichungen bzw. Vergesellschaftungen zwar notwendig, aber nicht ausreichend. Es gehe eben auch um die Einführung von Instrumenten direkter Demokratie und auch um Strategieänderungen auf der Ebene der Unternehmen. Diese sollten auf die Stärkung des Sektors der »Solidarischen Ökonomie« und die Demokratisierung durch mehr Mitbestimmung abzielen.
Der Historiker Georg Fülberth weist in seinem Beitrag auf die Notwendigkeit hin, breiter angelegte Gegenkonzepte zu entwickeln. Der »Green New Deal« der Grünen gehe zwar in diese Richtung, sei aber »zu schmal«. Fülberth regt eine »Pink Grey Red Blue Revolution« an: Investitionen in Bildung und Pflege, Steigerung der Löhne sowie Abkehr von der Militarisierung. Man mag dies für nicht ausreichend halten, zumal es zeigt, dass die Herausforderungen des Klimawandels unter Linken zu oft noch immer nicht wirklich ernstgenommen werden. Aber eines macht Fülberths Farbenspiel deutlich: Es geht um eine möglichst bunte Alternative zum Neoliberalismus.
Hermannus Pfeiffer (Hg.): Land in Sicht? Die Krise, die Aussichten und die Linke. PapyRossa, Köln. 217 S., br., 14,90 €.
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