Angeknackste Monopolstellung

Gates-Konzern möchte die Softwarebranche weiter dominieren – und sucht mehr Standbeine

Microsoft hat am Donnerstag ein neues PC-Betriebssystem weltweit in den Handel gebracht. Windows 7 soll das Fenster in eine erfolgreiche Zukunft für den Softwareriesen sein.

Etwas benutzerfreundlicher, flotteres Arbeiten und einfachere Vernetzung – Computerexperten haben für das neue Betriebssystem von Microsoft mehr Lob als Tadel übrig. Aber: »Wer mit dem Vorgängermodell zufrieden ist, kann dabei bleiben«, meint Axel Vahldiek von der Computerzeitschrift »c't«. Bei XP-Nutzern stelle sich allerdings die Frage, ob deren PCs für Windows 7 leistungsfähig genug seien oder wegen der höheren technischen Anforderungen zu langsam laufen.

Gerade letzterer Punkt schürt indes Hoffnungen, auch bei den Herstellern von Computern, Chips und Grafikkarten. Die stark konjunkturanfällige Branche ist von der Wirtschaftskrise hart getroffen. Zwar gab es im dritten Quartal im Vorjahresvergleich mit 81 Millionen verkauften PCs weltweit wieder ein leichtes Plus, aber die dramatischen Absatzeinbrüche davor macht dies natürlich nicht wett.

Windows 7, mit hohem Werbebudget und allerlei Tam-Tam auf den Markt gebracht, soll nun den ersehnten Schub bringen. Bislang war es nämlich oft so, dass Privatkäufer und Unternehmen die Einführung eines neuen Betriebssystems aufschoben, bis sie sich zum Kauf neuer PCs durchrangen. Windows 7 nährt auch deshalb Hoffnungen, weil es auf den aktuell hippen Netbooks schnell laufen und die gestiegenen Multimedia-Anforderungen erfüllen soll, wie es heißt. Microsoft-Deutschland-Chef Achim Berg spricht von einem »Innovationsmotor für die Branche«. Mehr als 300 000 Arbeitsplätze würden im Zuge der Markteinführung entstehen.

Aber natürlich ist der Softwareriese aus Redmond (US-Bundesstaat Washington) mit einem Jahresumsatz von 58 Milliarden Dollar und rund 93 000 Beschäftigten keine karitative Einrichtung, sondern will sich erst mal selbst von einem Durchhänger erholen. Die technischen Unzulänglichkeiten des Vorgängermodells Vista sowie aufkommende Konkurrenten im Kerngeschäftsfeld kosten Marktanteile.

Insbesondere der US-Computerhersteller Apple, der für die eigene Hardware auch Software entwickelt, konnte trotz Rezession zuletzt stark zulegen. Vorbei sind die Zeiten, als sich das Unternehmen in einer Mischung aus Sektenartigkeit und modischer Asterix-Mentalität mit einer kleinen Nische zufriedengab. Mit dem Musikabspielgerät iPod hat Apple erstmals ein Massenpublikum erreicht – und ist offenbar auf den Geschmack gekommen. Zum Ärger von Microsoft stellte Apple zwei Tage vor der Windows-7-Show viel beachtet mehrere erneuerte Computer vor. Begleitet wurde dies mit den üblichen verbalen Spitzen gegen das neue Produkt von Microsoft: »Es ist immer noch Windows«, so Apple-Marketingchef Phil Schiller. Eine weitere Gemeinheit: Um bisherige Microsoft-Kunden zu locken, helfen Mitarbeiter in Apple-Läden PC-Nutzern beim Überspielen ihrer Daten von alten Windows-Rechnern auf neue Macs.

Für Microsoft ist die wachsende Konkurrenz inzwischen durchaus mehr als ein kleiner Nadelstich. Auch wenn der von Bill Gates gegründete Konzern nach wie vor unangefochtener Marktführer bei Betriebssystemen ist: Im August liefen weltweit eine Milliarde PCs mit Windows – Marktanteil: gut 90 Prozent. Doch diese Zahlen liefern lediglich einen Blick in die Vergangenheit. Ob die Quote wenigstens gehalten werden kann, ist fraglich, zumal die Wettbewerbsbehörden in den USA und vor allem in Europa dem Ausnutzen der Quasi-Monopolstellung einige Schranken gesetzt haben. Dies betrifft etwa die zwangsweise Verknüpfung des Betriebssystems mit weiteren Softwareprodukten – es ist gleichzeitig eine technische Plattform etwa für die Nutzung von Internet-Browsern und Media-Playern.

Microsoft reagiert auf den etwas stärkeren Wettbewerb im eigenen Geschäftsfeld damit, seinerseits bei Platzhirschen in anderen Bereichen zu wildern sowie nicht selbst gesetzte Trends aufzugreifen. So konnte man im Geschäft mit Suchmaschinen, das aufgrund hoher Werbeeinnahmen äußerst lukrativ ist, dank der doch noch glückenden Allianz mit Yahoo dem bisherigen Quasi-Monopolisten Google Marktanteile abluchsen. Das Musikabspielgerät Zune und die Spielekonsole Xbox gelten dagegen als mäßig erfolgreich. Vorerst entscheidet sich das Wohl und Wehe von Microsoft jedoch wie gehabt – mit dem Verkauf des aktuellen Betriebssystems.


Zahlen & Fakten

Ohne Windows kein Microsoft: Die Milliardeneinnahmen aus dem Verkauf seiner Betriebssysteme sind das Rückgrat des weltgrößten Softwarekonzerns.

Microsofts Aufstieg begann 1980: Der Hardwareriese IBM benötigte ein Betriebssystem – Bill Gates und Kollegen kauften die Software eines anderen Anbieters und passten sie für den Auftraggeber an. Eine grafische Benutzeroberfläche zur Vereinfachung der Navigation hatte dieses System namens MS-DOS allerdings noch nicht, dies gab es zunächst nur bei Apple, Atari oder dem Commodore Amiga.

Microsoft legte 1985 mit Windows 1.0 nach. Nennenswerten Erfolg erzielte das Unternehmen aber erst mit der Version 3.0 von 1990. Mit Nachfolgern wie Windows 95 (1995) und XP (2001) sowie diversen Zwischenversionen baute das Unternehmen Schritt für Schritt ein Quasi-Monopol auf. Für Unternehmenskunden kam bereits 1993 eine Windows-NT-Version auf den Markt, die Microsoft ursprünglich gemeinsam mit IBM entwickelt hatte. Nach einem Streit vermarktete IBM seine Betriebssystemvariante unter dem Namen OS/2, hatte damit aber weit weniger Erfolg.

Mit Windows Vista (ab Januar 2007) fuhr Microsoft indes nicht gut: Trotz rund fünfjähriger Entwicklungszeit waren die Kunden nicht zufrieden. Privatnutzer schimpften über Ressourcenhunger und mangelnde Unterstützung für ihre Geräte, viele Unternehmen verzichteten auf die Installation des Betriebssystems. Windows 7 soll den Ruf aufpolieren – und den Umsatz wieder ankurbeln.

Die verschiedenen Windows-Versionen laufen auf mehr als 90 Prozent aller PCs weltweit. Alternativen wie das freie Betriebssystem Linux konnten an der überwältigenden Marktstellung nichts ändern. Nur im Servermarkt spielt die quelloffene Software eine nennenswerte Rolle. Immerhin hat Apple rund fünf Prozent des Marktes erobert. Und Erzrivale Google hat mit Chrome OS ein Betriebssystem für die beliebten Mini-Notebooks angekündigt. dpa

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -