Kreative Lösungen aus dem Süden
Konferenz fordert ökologische und faire Regeln für den Welthandel
Vier Krisen, vier Konferenzen und vier Mal dasselbe Ergebnis: Außer Spesen nichts gewesen. So lässt sich weltpolitisch die zweite Jahreshälfte 2009 im Kurzraffer zusammenfassen. Die Weltfinanzkrise wurde in Pittsburgh thematisiert, die Welternährungskrise in Rom, der Welthandel beim Ministerratstreffen der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf und die Weltklimakrise in Kopenhagen.
Die Welt befinde sich in einer Extremsituation, die zum Handeln zwinge, so Josef Sayer, Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, das gemeinsam mit der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung die Konferenz »EcoFair Rules!« am Dienstag in Berlin veranstaltete. Sayers Argument sind die 47 000 täglich an Unterernährung sterbenden Menschen und die im Zuge der Welternährungs- und Weltfinanzkrise um 150 Millionen angestiegene Zahl der Hungerleidenden gleichermaßen. Erstmals hat die Zahl der Hungernden 2009 die Milliardenschwelle durchbrochen. Vom Aufbruch aus dem Jahr 2000, als die internationale Gemeinschaft in New York die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) mit dem Kernziel Armutsbekämpfung verabschiedete, sei nichts mehr zu spüren, so Sayer. »Die existierenden Institutionen schaffen es offensichtlich nicht, wirksame Antworten auf die Auswirkungen und Herausforderungen der verschiedenen Krisen zu entwickeln«, schließt Sayer und nimmt deshalb die Zivigesellschaft in die Pflicht: Sie müsse 2010 über Bündnisse zwischen Nord und Süd den Druck für einen Politikwechsel erzeugen, zu dem die Politik selbst offensichtlich nicht in der Lage ist.
Die Konferenz »EcoFair Rules!« ist ein Baustein einer solchen verstärkten Vernetzung. Die Resonanz von cirka 350 nationalen und internationalen Fachleuten hätte die Erwartungen weit übertroffen, zeigte sich Barbara Unmüßig, Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung, erfreut. Die große Herausforderung sieht sie in Themen übergreifenden Allianzen, denn die verschiedenen Krisen stünden im Wechselverhältnis zueinander und müssten dementsprechend zusammenhängend von der Zivilgesellschaft in Angriff genommen werden statt wie traditionell punktuell. Schließlich würden sowohl die Wirtschaftskrise als auch die Klima- und Ernährungskrise insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder dieser Welt am stärksten treffen.
Um dem Süden zu helfen, müsste der Handel für Entwicklung wirksam gemacht werden, ist Olivier De Schutter, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, überzeugt. Für De Schutter heißt das, dass künftig Schluss sein muss mit Agrardumping des Nordens und einer Zolleskalation, die den Süden zum Rohstofflieferanten festschreibe. Nach 30 Jahren verfehlter Politik mit der Zerstörung lokaler Märkte stünden die Kleinbauern nur noch vor nicht nachhaltigen Alternativen: Subsistenzwirtschaft oder wachsen, um weltmarktfähig zu werden. Dass es nicht nur die Welthandelspolitik, sondern auch oft die Regierungspolitik im Süden ist, die die Ernährungssicherheit untergräbt, erläuterte die indische Wissenschaftlerin Rajeswari Raina: Noch immer würde Indiens Regierung auf Monokulturen für den Export und die Agrokonzerne setzen. »Wir hoffen auf einen Mentalitätswechsel.« Sayer setzt auch im Süden auf die Basis: »Kleinbauern, Landarbeiter, Kleinfischer und Slumbewohner haben kreative Lösungen anzubieten, von denen wir lernen können.« Die Probe aufs Exempel steht noch aus.
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