Gaddafi-Show in Italien
Rom hofft auf gute Geschäfte mit Libyen
»Der Islam sollte die Religion Europas werden«, und »das Christentum ist unbedeutend« – das erklärte Muammar al-Gaddafi am Wochenende im Garten der Residenz des libyschen Botschafters in Rom vor 200 jungen Frauen, die verschiedene Modellagenturen extra dafür angeheuert hatten. Und am Montagabend sollten 30 Berberpferde in einer Kaserne der italienischen Carabinieri ihre Kunststücke zeigen. Wer einen allgemeinen Aufschrei bei der italienischen Rechten, für die der Islam doch sonst das »absolut Böse« ist, erwartet hatte, wurde enttäuscht. Ministerpräsident Berlusconi tat die Worte seines »Freundes« als »Folklore« ab, und andere Minister lächelten auch eher milde. Tatsächlich ist die Beziehung zwischen Italien und der ehemaligen Kolonie Libyen politisch und vor allem wirtschaftlich so wichtig, dass man gern über das exzentrische Auftreten und über das zweifelhafte Demokratieverständnis des libyschen Gastes hinwegsieht.
2008 wurde in einem Freundschaftsvertrag zwischen den beiden Staaten eine »Wiedergutmachung« für die 30-jährige Kolonialzeit in Höhe von fünf Milliarden Dollar beschlossen (zahlbar in zehn bequemen Raten). Als Gegenleistung verpflichtete sich Libyen, den Flüchtlingsstrom zu stoppen, der sich von den Küsten des nordafrikanischen Landes über das Mittelmeer nach Italien ergießt. Und man erklärte sich bereit – doch das steht nicht im Vertrag –, italienischen Firmen mit Kapital und vor allem mit Großaufträgen unter die Arme zu greifen. Der Energiekonzern Eni und die Großbank Unicredit, aber auch der Fußballklub Juventus Turin haben inzwischen hohe libysche Beteiligungen; andere Konzerne wie Impregilo (Bauunternehmen) und Augusta (Militärhubschrauber) können sich über Millionenaufträge freuen. Italienische Firmen sollen eine Mittelmeerautobahn bauen, drei Universitäten und ein Gaddafi-Museum, vor allem aber dürfen sie weiter Erdöl fördern, und Italien braucht sich auch über die Erdgaslieferungen keine Gedanken zu machen.
Während der katholische Flügel innerhalb der Regierung über die öffentlichen Missionierungsversuche Gaddafis murrt (aber mehr auch nicht), verhält sich die ausländerfeindliche Lega Nord sogar ganz ruhig. Ihre Angst ist, dass ein verärgerter Gaddafi die Flüchtlingsschleusen wieder öffnen könnte. Dass jetzt viele dieser verzweifelten Menschen in der Wüste in Lagern festgehalten werden, zu denen Menschenrechtsorganisationen keinen Zutritt haben, und dass Libyen noch nicht einmal die internationale Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat, spielt dabei keine Rolle.
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