Auf Taubenfüßen

»Blinde Bienen« – ein Gedichtband von Kathrin Schmidt

  • Kai Agthe
  • Lesedauer: 3 Min.

Kathrin Schmidt, 1958 in Gotha geboren, hat sich als Erzählerin einen Namen gemacht. Mit dem Roman »Die Gunnar-Lennefsen-Expedition« (1998) wurde sie einem großen Publikum bekannt. Öffentliche Aufmerksamkeit war ihr auch im vergangenen Jahr sicher, als sie für den Roman »Du stirbst nicht« mit dem Deutschen Buchpreis 2009 ausgezeichnet wurde. Da mag der Hinweis überraschen, dass sie, bevor ihr 1998-er Roman erschien, zunächst Gedichtbände publiziert hat.

Wie so viele aus der DDR gebürtige Autoren, legte sie ihr Debüt 1979 als »Posiealbum« vor. 1987 und 1995 folgten weitere Bücher mit Lyrik. Standen die letzten Jahre im Zeichen der Prosa, so kann man von Kathrin Schmidt jetzt wieder Gedichte lesen. »Blinde Bienen« heißt der Band. Die insgesamt 73 Gedichte verblüffen oft schon durch ihren Umfang. Aus dem Sprachmaterial, das Kathrin Schmidt aufbietet, würden andere Schriftsteller gewiss drei Gedichtbände amalgamieren.

Als Lyrikerin hat sie einen verblüffend langen und erkennbar lyrisch frischen Atem. Denn man hat den Eindruck, dass ihr die unverbrauchten sprachlichen Bilder niemals ausgehen. Bei einem großen Teil der hier vereinten Texte handelt es sich um Natur- und Jahreszeitgedichte. Schmidts Verse kommen auf Taubenfüßen: Denn in ihnen wispert und morst, summt und flirrt, fließt und zittert es.

Das Titelgrdicht passt zum Herbst. Die Jahreszeit wird im ersten und letzten Vers benannt und bildet dadurch thematisch eine Klammer. Und dass die Bienen blind sind, liegt wohl daran, dass es sich um eine kurze und bündige Alliteration handelt. Wenn der Umschlag aber nicht von Bienen, sondern von drei fliegenden Fischen geziert wird, dann hat das seine Richtigkeit: Denn das Gedicht »es ging um nichts« hebt mit den schönen Worten an: »nur der fliegende fisch aus dem norden / brauchte beachtung, wie er die ostsee ans mittelmeer heften wollte.«

Der Text »kein böcklicht Männlein« ist, trotz Negation, eine Erinnerung an das in Arnims und Brentanos »Des Knaben Wunderhorn« enthaltene Gedicht »Das bucklicht Männlein«, über das Walter Benjamin nicht müde wurde nachzudenken. Das lyrische Ich gibt sich am Ende ebenfalls als märchenhafte Gestalt zu erkennen, wenn es rumpelstilzhaft heißt: »da ist es gut, wenn wirklich nichts und niemand weiß, dass ich im wittchenschnee die / elsenkluge heiß«. Und »im öl der hitznacht« ist die Beschreibung einer Liebe in einer heißen Sommernacht.

Eines der schönsten Gedichte ist fraglos »Schlüsselfrage«. Das liebevolle Porträt über ein Baby, den »kindskörper«, mündet – dank der doppelten Bedeutung des Verbs »aufziehen« – in die Verse: »wissen wirst du / schon dass du ihn aufziehen musst oder? der schlüssel steckt.«

An den Gedichten von Kathrin Schmidt wird man lange Freude haben. Denn wie jede gute Lyrik, wollen auch diese Texte immer wieder und wieder gelesen sein. Und am besten laut.

Kathrin Schmidt: Blinde Bienen. Gedichte. Kiepenheuer & Witsch. 84 S., geb., 16,95 €.

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