Berlusconi siegte wie geschmiert
Italiens Ministerpräsident überstand Misstrauensvotum / Schwere Krawalle in Rom
Zuerst hatte der Senat der Regierung das Vertrauen ausgesprochen – aber dort waren die Mehrheitsverhältnisse von vornherein klar. Dann begann die Abstimmung in der Kammer in einem äußerst angespannten Klima. Es wurden Worte wie »Verbrecher« und »Analphabet« benutzt und mehr als einmal kam es fast zu Handgreiflichkeiten, vor allem als fünf Abgeordnete, die sich zuvor für das Misstrauen ausgesprochen hatten, im letzten Moment doch noch für Berlusconi und seine Regierung stimmten. Immer wieder war in diesen Tagen von »käuflicher Republik« die Rede, nachdem eindeutige Angebote bekannt geworden waren, die Berlusconi gerade diesen Parlamentariern unterbreitet haben soll.
Berlusconi kann sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen: Seine Regierung steht nach wie vor auf äußerst instabilen Beinen. Vor knapp drei Jahren, als sie gewählt wurde, hatte sie in der Abgeordnetenkammer eine Mehrheit von 100 Stimmen – jetzt sind es noch drei und Umberto Bossi von der Lega Nord, Koalitionspartner von Berlusconi, erklärte, dass man sich nun in Ruhe auf vorgezogene Neuwahlen vorbereiten könne, die im Frühjahr stattfinden könnten.
Die Demokratische Partei, stärkste Opposition im Parlament, sieht sich nicht als Verlierer. Nach der großen Kundgebung vom letzten Wochenende in Rom erklärte ihr Chef Pierluigi Bersani, dass das Land der Regierung schon längst das Vertrauen entzogen habe, auch wenn das im Parlament noch nicht angekommen sei. Die Mitte-Links-Parteien werden jetzt weiter versuchen, in der Gesellschaft ein breites Bündnis zu bilden, das die reaktionären und konservativen Kräfte bei den nächsten Wahlen ablösen kann.
Auch die Christdemokraten, die den Misstrauensantrag unterzeichnet hatten, sehen sich nicht geschwächt: Sie wollen weiter für einen »Dritten Pol« arbeiten, der eine Alternative zu Rechts und Links darstellen sollte.
Wenn es einen wirklichen Verlierer gibt, dann ist das Gianfranco Fini, der mit Berlusconi das »Volk der Freiheit« gebildet hatte. Er hatte den Ministerpräsidenten sowohl wegen dessen Führungsstil als auch wegen einiger politischer Entscheidungen scharf kritisiert und war dann aus der Partei ausgeschlossen worden. Der Kammerpräsident hatte ganz offensichtlich gehofft, mit dieser Abstimmung Berlusconi vom Thron zu stoßen und sich selbst als Anführer einer modernen Rechten ins Spiel zu bringen.
Doch während man im Parlament den Atem anhielt und auf das Ergebnis der Vertrauensabstimmung wartete, stand das Land nicht still. In Rom demonstrierten Zehntausende: Studenten, Erdbebenopfer aus Aquila, Neapolitaner, die immer noch auf die Beseitigung des Müllproblems warten, Arbeitslose und junge Leute in prekären Arbeitsverhältnissen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass sich eine so schwache Regierung ihrer Probleme wirklich annehmen kann.
Nach dem Parlamentsvotum für Berlusconi gab es in Rom heftige Proteste, die teils gewalttätig waren. So lieferten sich Hunderte Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei. Sie warfen Farbbeutel und Feuerwerkskörper auf die Gebäude der beiden Parlamentskammern, Abgeordnetenhaus und Senat. Im Zentrum der Hauptstadt setzten sie außerdem ein Polizeifahrzeug in Brand. Die Polizei setzte Tränengas und Schlagstöcke ein. Seite 3
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