Zartes Pflänzchen Vertrauen

Die Annäherung von Friedens- und Entwicklungsgruppen stärkt den Ruf nach einer zivilen Afghanistanpolitik

Es ist ein Premiere: Friedensbewegung und entwicklungspolitische Organisationen diskutieren am Wochenende ihre Vorstellungen für eine friedliche Lösung in Afghanistan. Nach fast zehn Jahren Krieg ist das überfällig.

Dass etwas bislang nicht existierte, fällt manchmal erst auf, wenn es in die Welt tritt. So treffen sich Friedensbewegung und entwicklungspolitische Organisationen an diesem Wochenende zu einer, wie es in der Einladung heißt, »ungewöhnlichen« Konferenz. Neu daran ist nicht das Thema, es geht um Frieden und Entwicklung in Afghanistan. Ungewöhnlich sind die Veranstalter, die sich hierfür zusammengetan haben. Denn beide hatten bislang wenig miteinander zu tun. Erst letzten März, knapp neun Jahre nach Beginn des Afghanistankrieges, hielten Friedensbewegung und der Dachverband entwicklungspolitischer Organisationen Venro zum ersten Mal gemeinsame Grundforderungen fest. Dazu gehören »Vorrang für zivil« und als ersten Schritt das Ende aller Kampfhandlungen. In den nächsten zwei Tagen soll der zarte Gesprächsfaden in Hannover verfestigt werden.

Das Nicht-Verhältnis mag verwundern: Die einen fordern zivile Hilfe für Afghanistan, die anderen leisten sie vor Ort seit Jahren, beste Voraussetzungen für eine Partnerschaft, sollte man meinen. Doch wichtige Fragen sind strittig. So gibt es Differenzen darüber, wie die verheerende Situation am Hindukusch entstanden ist und welche Rolle das Militär dabei spielt. Nichtregierungsorganisationen (NRO) bestehen zwar auf ihre Unabhängigkeit, lehnen aber nicht unbedingt ab, dass ausländische Truppen im Land sind. Sie gelten als Schutz für Brunnenbau und Frauenprojekte. Entsprechend kontrovers ist die Frage des Abzugs. Die Kernforderung der Friedensaktivisten löst bei manchen NRO schwere Befürchtungen aus.

Auf dem Programm stehen daher Grundsatzfragen: Inwiefern können militärische Interventionen Menschenrechte schützen? Lassen sich zivile Auslandseinsätze legitimieren? Manch Friedensbewegter betrachtet Entwicklungspolitik nur als andere Form der westlichen Intervention: Inwiefern deutsche Organisationen bestimmte Entwicklungswege vorschreiben, ist daher eine weiteres Thema in Hannover. Alle kritischen Punkte sollen auf den Tisch kommen, heißt es.

Fingerspitzengefühl ist gefragt. Venro hält sich vor dem Wochenende mit Einschätzungen lieber zurück, will nicht vereinnahmt werden. Im Unterschied zu Friedensgruppen, die so konfrontativ auftreten können, wie sie wollen, vertritt der Verband professionell arbeitende Organisationen mit hunderten Mitarbeitern im In- und Ausland, die in hohem Maße von staatlichen Geldern abhängig sind. Zu viel Kritik oder die falschen Partner könnten die Arbeit gefährden, ist die Sorge, die bei einem Chef namens Dirk Niebel nicht unbegründet ist. Der FDP-Minister ist dabei, die Entwicklungshilfe umzukrempeln, Gelder werden gekürzt. Nicht nur er macht Druck, den zivilen Sektor dem Militär unterzuordnen.

Zusammen mit der katastrophalen Lage in Afghanistan waren es diese Angriffe, die eine Politisierung der Entwicklungsszene befördert haben. Venro hat sich in den vergangenen zwei Jahren vermehrt kritisch zur Afghanistan-strategie von Bundeswehr und NATO geäußert und sich entschieden gegen jede zivil-militärische Zusammenarbeit verwahrt. Das war die Grundlage, auf der im März 2010 erst ein gemeinsames Diskussionspapier und nun die Tagung auf den Weg gebracht werden konnten. Ganz bei Null fängt man also nicht an. Auf der Seite der Friedensbewegten gibt es die Hoffnung, im Herbst zusammen mit ein paar Forderungen in die Öffentlichkeit treten zu können. Dann findet zehn Jahre nach Kriegsbeginn in Bonn erneut ein offizieller Afghanistangipfel statt. So weit ist es noch nicht. Dass es die Diskussionen am Wochenende überhaupt gibt, ist schon ein Fortschritt.

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