Deutschland leistet sich Armut

UN-Bericht kritisiert schwere Versäumnisse bei der Sozialpolitik

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein aktueller UN-Bericht geht mit Deutschland hart ins Gericht: Schelte gibt es für die anhaltende Kinderarmut sowie die Benachteiligung von Migranten und Asylbewerbern. Aber auch die hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland und die Strafrenten für DDR-Minister sind den Berichterstattern ein Dorn im Auge.

Der UN-Ausschuss über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) findet in seinem Bericht zur sozialen Lage deutliche Worte. »Tief besorgt« sei man über die anhaltende Diskriminierung von Migranten in Deutschland, die auch in der zweiten Generation in Bildung und Beruf benachteiligt würden. Auch dass man Asylbewerber in »überfüllten Heimen« unterbringe, ihnen soziale Leistungen vorenthalte und medizinische Hilfe nur im Notfall gewähre, wird in dem Bericht missbilligt.

Reichlich peinlich für das wohlhabende Deutschland ist die Kritik an unzureichenden Maßnahmen gegen Kinderarmut. Laut Bericht leben hierzulande rund 2,5 Millionen Kinder »unter der Armutsgrenze«. Zudem gehe jeder vierte Schüler in Deutschland ohne Frühstück zur Schule. Und weil es dort nicht immer Mittagessen gebe, drohe sogar »Mangelernährung«, warnt die UNO. Deutschlands Bildungssystem bleibt ebenfalls nicht unerwähnt: Die Anzahl der Schüler ohne Abschluss sei trotz Gegenmaßnahmen hoch geblieben. Betroffen seien insbesondere »sozial benachteiligte Schüler«, so der Bericht.

In der Kritik steht zudem das Hartz-IV-System, weil es »keinen angemessenen Lebensstandard« garantiere. Die Berichterstatter sehen in der Pflicht für Arbeitslose, jeden Job anzunehmen, gar einen möglichen Verstoß gegen Artikel 6 und 7 des UN-Paktes – also das Recht auf Berufsfreiheit und angemessenen Lohn. Und so ist es kein Wunder, wenn die UNO kritisch anmerkt, dass 13 Prozent aller Deutschen unter der Armutsgrenze leben.

Sorgen bereiten dem UN-Ausschuss weiterhin die Arbeitslosenzahlen in den neuen Ländern, die immer noch »doppelt so hoch wie in den westdeutschen Bundesländern« seien. Interessant auch: Der Bericht spricht gar von einer »Diskriminierung« Ostdeutscher bei der sozialen Sicherheit. Explizit erwähnt wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Juli 2010, wonach es rechtens sei, DDR-Ministern die Altersrente zu kürzen.

Der UN-Ausschuss zeigt sich »tief enttäuscht«, weil die in den vorhergehenden Berichten angemahnten Maßnahmen bislang nicht umgesetzt worden seien. Immerhin ist der nun vorliegende Bericht bereits der fünfte. Schließlich hat die Bundesrepublik den internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die der UN-Unterausschuss überwacht, bereits 1973 ratifiziert. Der UN-Ausschuss beobachtet die Umsetzung des Paktes in den einzelnen Staaten – und somit auch in Deutschland. Grundlage des aktuellen Berichtes sind neben Angaben der Bundesregierung auch Auskünfte von Nichtregierungsorganisationen wie Attac.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linkfraktion im Bundestag, Dagmar Enkelmann, nannte die zögernde Haltung der Regierung zum UN-Bericht »skandalös«. Notwendig sei »ein sofortiges soziales Aktionsprogramm, um wenigstens die gravierendsten Mängel abzustellen«, so Enkelmann. Das Bundessozialministerium wies die Kritik der UNO am Mittwoch zurück. Die Aussagen seien »in weiten Teilen nicht nachvollziehbar und auch nicht durch wissenschaftliche Fakten belegt«, hieß es aus dem Ministerium.

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