Niebels neue Leitlinien für eine alte Politik
Nun sind sie raus: die neuen Leitlinien der deutschen Entwicklungspolitik. Das 26-seitige Konzept mit dem Titel »Chancen schaffen – Zukunft entwickeln« lässt auf dem Papier kaum etwas zu wünschen übrig. Künftig soll es ein Mehr von allem geben: Innovation, Bildung, Eigenverantwortung, Wirkung, Engagement, Unternehmertum, Dialog, Investitionen, Klimaschutz, Prävention. Auch an Selbstkritik fehlt es dem neuen Strategiepapier nicht – ein »›Weiter So‹ geht nicht«, lautet die Bestandsaufnahme und eine »bessere Welt ist möglich« die Zielsetzung.
In dem Papier finden sich viele Versatzstücke aus der Theorie einer progressiven Entwicklungspolitik, beispielsweise wird der Förderung lokaler Wertschöpfungsketten das Wort geredet, also der Stärkung der Verflechtung von lokalen Unternehmen und dem Aufbau von lokalen Märkten, um im Süden selbsttragendes Wachstum zu schaffen. Etwas, was in der Praxis der Entwicklungspolitik eher selten eine Rolle spielt, wo die Auftragsvergabe an deutsche Unternehmen großen Stellenwert genießt. Nicht umsonst brüstete sich Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) jüngst im »Focus«, »diese Entwicklungspolitik sichert schon heute 140 000 deutsche Arbeitsplätze«.
In den neuen Leitlinien, die vom Geberländerklub OECD eingefordert wurden, wird das privatwirtschaftliche Interesse klein geschrieben und als Helfer des entwicklungspolitischen Interesses ausgemacht. Auch in diesem Kontext gilt, was für das gesamte Papier zutrifft: An den wohlfeilen Formulierungen an sich ist wenig auszusetzen, der Praxistest steht indes aus. Und alle Erfahrungen, die seit Niebels Amtsantritt 2009 gemacht wurden, deuten darauf hin, dass es unabhängig von Leitlinien mehr denn je ein übergeordnetes Interesse der deutschen Entwicklungspolitik gibt: Aufträge und Beschäftigung für deutsche Unternehmen und Experten.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.