China hilft dem Euro und sich selbst
Peking greift mit seinen gewaltigen Devisenreserven den Schuldnerländern unter die Arme
Wenn die Weltwirtschaft kriselt, richten sich die Hilfe und Hoffnung suchenden Blicke inzwischen nach China. Das war nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman-Brothers vor exakt drei Jahren so und das ist jetzt angesichts Euro-Schuldenkrise und Rezessionsgefahr in den USA nicht anders. Nicht ohne Grund: China verfügt über fast ein Drittel der weltweiten Devisenreserven von 10,1 Billionen US-Dollar – 3,2 Billionen US-Dollar. China ist zudem inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft nach den USA und erzielt astronomische quantitative Wachstumsraten. Nach 10,4 Prozent Wachstum im vergangenen Jahr erwarten Experten in China in diesem Jahr »nur« noch rund neun Prozent, weil die Zentralbank wegen der hohen Inflation die Geldmenge verknappen muss. Außerdem hat Peking als Exportweltmeister Deutschland den Rang abgelaufen und fährt seit vielen Jahren Handelsbilanzüberschüsse ein, die die Grundlage seines Devisenvermögens bilden. China gibt gewissermaßen seinen Handelspartnern Kredit, damit sie chinesische Waren kaufen können.
Zum Auftakt des »Sommer-Davos« genannten Treffens des Weltwirtschaftsforums in der nordostchinesischen Hafenstadt Dalian bekundete Chinas Premierminister Wen Jiabao vor den 1700 Teilnehmern erneut seine Bereitschaft, den Europäern eine »helfende Hand auszustrecken«. Dabei ist der Kauf von Anleihen europäischer Staaten Normalität. Wie gegen die USA US-Dollar-Forderungen häuft China auch gegen Europa durch seinen großen Handelsüberschuss mit Europa viele Milliardenforderungen in Euro an, die in Staatsanleihen europäischer Länder investiert werden. In der allgemeinen Verunsicherung nehmen die Währungs- und Aktienmärkte die Käufe von Anleihen angeschlagener Staaten wie Griechenland, Portugal, Spanien oder Italien oder selbst nur solche Absichtserklärungen immer dankbar auf. Niemand weiß, wie viele Anleihen wirklich gekauft werden. Doch wird diese Alltäglichkeit gerne als besonderer Vertrauensbeweis gezielt überbewertet, um die Märkte wieder nach oben zu bewegen.
Von den USA forderte Wen Jiabao zu Beginn des dreitägigen Treffens mehr Offenheit gegenüber Investitionen chinesischer Firmen und eine Aufhebung von Exportbeschränkungen. China müsse dann auch nicht mehr so viel seiner weltgrößten Devisenreserven in Höhe von 3,2 Billionen US-Dollar (2,3 Billionen Euro) in US-Staatsanleihen investieren. Rund zwei Drittel hält China davon in US-Dollar, ein Viertel in Euro. Die USA könnten auch ihre Exporte ausweiten, indem sie Beschränkungen für die Ausfuhr hochtechnologischer Produkte nach China aufheben, bekräftigte Wen Jiabao eine alte Forderung Chinas. In einer Diskussion in Dalian wies der neue US-Botschafter und frühere US-Handelsminister Gary Locke den Vorwurf mangelnder Offenheit zurück und verteidigte die Investitionsbedingungen in den USA als ausgezeichnet.
»Die Weltwirtschaft erholt sich langsam, aber Instabilität und Unsicherheit wachsen«, sagte Wen Jiabao. Er zeigte sich demonstrativ zuversichtlich, dass die Europäer und die US-Amerikaner ihre Probleme bewältigen könnten. Alle Regierungen müssten aber »ihre Verantwortung erfüllen und ihr eigenes Haus in Ordnung bringen«. Die großen Industrienationen sollten ihre Schulden in den Griff bekommen und Investitionen schützen. Für China mahnte er Reformen und Umstrukturierungen an: »Chinas Entwicklung ist noch unausgeglichen, unkoordiniert und nicht nachhaltig.« »China kann sich nicht isoliert vom Rest der Welt entwickeln, und die Welt braucht auch China für seine Entwicklung.« Deshalb sei sein Land bereit, mehr in den europäischen Ländern und den USA zu investieren. Er habe seine Hilfe in einem Telefonat mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso angeboten. So allgemein Wen Jiabao das Hilfeversprechen fasste, so konkret stellte er seine Bedingungen. Er setzt die Europäer unter Druck, China endlich als volle Marktwirtschaft anzuerkennen, was Schutz in Handelsstreitigkeiten gewährt. Ihm schwebt – in aller Freundschaft – eine Art »Termingeschäft« vor: So sollte es bis zum EU-China-Gipfel am 25. Oktober in Tianjin einen »Durchbruch« geben. Wen Jiabao weiß, dass sich die Zeiten geändert haben und die Zeit für ihn spielt.
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