Der Nachrücker
Zum Tode des langjährigen LDPD-Vorsitzenden Manfred Gerlach
Ende 1989 hatte Manfred Gerlach den Höhepunkt seiner Karriere erreicht: Am 6. Dezember übernahm er für ein paar Monate den Vorsitz des DDR-Staatsrats, nachdem Egon Krenz zurückgetreten war. Gerlach wurde nicht gewählt, er amtierte kraft seiner Funktion als Stellvertreter, die er seit 1960 ausgeübt hatte.
Eine Zahl, die viel erzählt: über eine Politikergeneration, die in unglaublicher personeller Kontinuität jahrzehntelang die Geschicke des Landes bestimmte; über das demokratische System, das auf der führenden Rolle der SED und der treuen Gefolgschaft der Blockparteien beruhte. Gerlach war ein Teil dieses Systems von Anfang an: 1945, mit 17, Mitglied der neu gegründeten liberalen LDPD, 1946 Mitbegründer der FDJ. Eine steile Karriere, die ihn schnell in die obersten Regionen der DDR-Politik führte. In die Führung der LDPD und in die Stellvertreterebene im Staate, die den Blockparteien zugedacht war.
Dann, im Wendeherbst, das unverhoffte Nachrücken an die Spitze des Staates. Zuvor, im September, schon mitten in der Agonie des SED-Systems, erste vorsichtige, dennoch Aufsehen erregende Kritik am untergehenden Zentralismus. Gerlach wollte wohl gern eine Figur der Veränderung werden, aber dafür war er viel zu sehr im Alten verwurzelt. Die gewendete DDR brauchte ihn nicht, das vereinte Deutschland erst recht nicht. Seine LDPD ging fast spurlos in der FDP auf; Gerlach, der sich später gelegentlich noch kritisch zum Zustand der deutschen Einheit äußerte, verließ die FDP 1993, um einem Ausschluss wegen 40 Jahre alter parteiinterner Vorwürfe zuvorzukommen. Gestern ist Manfred Gerlach im Alter von 83 Jahren gestorben.
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