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Armutszeugnis für Niebel

Bundesregierung erfüllt Zusagen zur besseren Wirksamkeit der Entwicklungshilfe nicht

Der Bericht »Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe« ist inzwischen zu einer festen Institution geworden. Zum 19. Mal stellten Welthungerhilfe und Terre des hommes ihre Bestandsaufnahme vor: Die Fortschritte sind bescheiden, die Kritik vielfältig.

Ein Thema ist die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe schon lange. Spätestens seit dem zweiten Treffen von Geber- und Partnerländern sowie Entwicklungsbanken und -organisationen 2005 in Paris steht die Effektivität der Entwicklungshilfe im Brennpunkt. Das wird auch beim vierten Treffen Ende November in Busan so sein.

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) könnte sich in Südkorea unangenehmen Fragen ausgesetzt sehen, wenn Bilanz gezogen wird, wie die zwölf in der Pariser Erklärung 2005 formulierten Ziele umgesetzt wurden, die zu höherer Wirksamkeit der Entwicklungshilfe bis 2010 führen sollten. Allein seine Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) für die Versäumnisse verantwortlich zu machen, dürfte nicht verfangen, weil Niebel seit 2009 Weichenstellungen vorgenommen hat, die zum Teil den von Deutschland befürworteten Zielen widersprechen. Dies geht aus dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten 19. Bericht zur Wirklichkeit der Entwicklungshilfe eindeutig hervor.

Ein prominentes Beispiel dafür ist die sogenannte Budgethilfe, die den Empfängerländern erlaubt, die Mittel entsprechend den eigenen Prioritäten einzusetzen. Obwohl in Paris klar formuliert wurde, dass bis 2010 mindestens 66 Prozent der Öffentlichen Entwicklungshilfe in solche programmorientierten Ansätze statt in Einzelprojekte fließen sollten, wird unter Niebel die Budgethilfe reduziert, weil der Minister den Regierungen im Süden nicht traut, aber vor allem Außenwirtschaftsförderung für deutsche Unternehmen betreiben will. Dementsprechend nimmt unter Niebel auch die Lieferbindung zu.

In der technischen Zusammenarbeit liegt Deutschland laut Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Welthungerhilfe, mit 51 Prozent an erster Stelle. Lieferbindung besagt, dass die zugesagten deutschen Entwicklungsgelder nur zum Bestellungen bei bestimmten deutschen Lieferanten verwendet werden dürfen. In Busan kommt ein Vorschlag auf den Tisch, der bis 2015 ein Auslaufen der Lieferbindung vorsieht. »Ich bin gespannt, wie die Bundesregierung darauf reagiert«, sagte Jamann.

Auch das im schwarz-gelben Koalitionsvertrag verankerte Ziel, die Zahl der Empfängerländer zu reduzieren, wurde bisher nicht in die Praxis umgesetzt. Zwar habe das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) selbst die Zahl der Empfängerländer offiziell auf 57 verringert, aber faktisch liegt die Zahl der Länder, in denen Projekte mit deutschen Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt werden, bei 140, führte Jamann aus. Insgesamt 15 Ministerien seien in die Vergabe solcher Mittel einbezogen, ohne dass zwischen den Ministerien eine entwicklungspolitische Kohärenz erkennbar sei, kritisierte Jamann.

Niebel erntete nicht nur Kritik, aber auch dort, wo er lobenswerte Initiativen ergriffen hat, fehlt es an Taten. Zwar betone das neue BMZ-Konzept der Menschenrechte deren Bedeutung, es vermeide jedoch ein klares Bekenntnis im Falle von Zivilkonflikten mit anderen Politikfeldern, sagte Danuta Sacher, Geschäftsführerin von Terre des hommes. So sei die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) als Dienstleister für das Regime in Saudi-Arabien tätig oder im kolumbianischen Bürgerkriegsgebiet, ohne dass menschenrechtliche Bedenken eine Rolle spielten.

Für »völlig inakzeptabel« hält Sacher die Kürzungspläne für das BMZ im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung. Es sei ein leidiges Thema, Jahr für Jahr darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung mit derzeit 0,38 Prozent des Bruttonationaleinkommens weit vom erstmals 1970 und erneut für 2015 angestrebten 0,7-Prozent-Ziel entfernt sei. Vor 50 Jahren, als das BMZ gegründet wurde, lag die Quote bei 0,45 Prozent. Eine Entwicklung, die für sich spricht.

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