Stranger than Fiction

Jahrelang wurde der linke Schriftsteller Raul Zelik vom Verfassungsschutz observiert

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Raul Zelik fordert von den deutschen Behörden Aufklärung über die Gründe für seine Überwachung. Wie er aus seinen Akten erfuhr, warnten deutsche Behörden sogar die berüchtigte kolumbianische Geheimpolizei vor der Einreise »mutmaßlicher Terrorunterstützer« und brachten damit Zelik sowie eine gesamte deutsche Reisegruppe in Gefahr.
Verdächtig, weil er Romane über die ETA geschrieben hat?
Verdächtig, weil er Romane über die ETA geschrieben hat?

»Der gefrorene Mann« lautet der Titel eines Romans, den Raul Zelik übersetzt hat. Der baskische Autor Joseba Sarrionandia lässt darin gesuchte Aktivisten der baskischen Untergrundbewegung ETA zu Wort kommen. In Zeliks eigenem Roman »Der bewaffnete Freund« kutschiert die Hauptperson sogar einen ETA-Vorsitzenden im Kofferraum versteckt durch Spanien. Jetzt fragt sich Zelik, ob der deutsche Verfassungsschutz zu viele solcher Romane gelesen und für bare Münze genommen hat. Denn vor einigen Wochen teilte ihm das Bundesamt für Verfassungsschutz mit, dass er über mehrere Jahre wegen angeblicher Kontakte zur ETA überwacht worden sei.

»Wie stets in solchen Fällen wurde nicht weiter erläutert, worauf sich die Ermittlungen stützen«, erklärt Zelik. Der heute an der kolumbianischen Nationaluniversität in Bogota lehrende Politikwissenschafter war jahrelang in der außerparlamentarischen Linken Berlins aktiv.

Mit dem Roman »Friss und stirb trotzdem« machte er sich 1997 als engagierter Schriftsteller einen Namen. Der Roman handelt von einer Gruppe Jugendlicher unterschiedlicher Nationalitäten, die sich gegen den Alltagsrassismus und Neonazis wehren. Plötzlich werden sie mit einem Mordvorwurf konfrontiert, nachdem bei Tumulten auf einer rechten Versammlung ein rechter Parteifunktionär stirbt. Die Romanvorlage bezieht sich auf reale Ereignisse im Berlin der frühen 90er Jahre und dürfte den Verfassungsschutz schon interessiert haben, glaubt Zelik. Ihm ist mittlerweile bekannt, dass er nicht erst wegen angeblicher Kontakte zur baskischen Untergrundbewegung ins Visier des VS geriet.

So habe sich der Verfassungsschutz bereits 2005 für ihn interessiert, als er eine Menschenrechtsdelegation nach Kolumbien mitorganisiert hatte. »Die Reisegruppe sollte kolumbianische Konfliktgebiete besuchen, um bedrohte Gewerkschafter, Bauernorganisationen und Menschenrechtskomitees zu interviewen und zu unterstützen. Da auch Mitglieder einer antifaschistischen Gruppe aus Berlin Teil der Delegation waren, vermuteten die deutschen Behörden illegale Kontakte und hörten Telefongespräche ab«, erklärt Zelik. Die Verdachtsmomente erhärteten sich nicht.

Besonders brisant sind nachgewiesene Kontakte zwischen deutschen und kolumbianischen Überwachungsbehörden. Wie Zelik durch Vermerke in den Akten erfuhr, kündigte der deutsche Verfassungsschutz der kolumbianischen Geheimpolizei DAS die Einreise »mutmaßlicher deutscher Terrorunterstützer« an. Die Delegation wurde bereits am Flughafen von Bogotá von einem Observationstrupp erwartet. Für Zelik ist diese deutsch-kolumbianische Kooperation keine Lappalie Er verweist darauf, dass die kolumbianische Geheimpolizei in den letzten 15 Jahren einen schmutzigen Krieg gegen die Opposition in Kolumbien führte. So wurde der Direktor der DAS in den Jahren 2002 bis 2005, Jorge Noguera, kürzlich zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er rechten Todesschwadronen Listen zu Gewerkschaftern zukommen ließ, die ermordet werden sollten. Zudem sei nachgewiesen, dass führende DAS-Funktionäre die Todesschwadronen militärisch ausbildeten und persönlich Morde an Oppositionellen anordneten. »Wussten die deutschen Dienste das nicht, als sie unsere Delegation in Kolumbien anschwärzten, oder war es ihnen einfach egal«, will Zelik wissen. Diese Frage könnte auch manche Parlamentarier interessieren.

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