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Was geheim bleiben sollte
Anthony Horowitz: Sein Sherlock Holmes-Krimi ist Arthur Conan Doyle treu und will ihn gar überflügeln
Wer hat nicht irgendwann Conan Doyles Sherlock-Holmes-Romane genüsslich »verschlungen«. Dem britischen Autor Anthony Horowitz mag es ähnlich gegangen sein. An Erfolg gewöhnt, hat er zudem ein Gespür, wo weitere Erfolge zu holen sind, auch was mögliche Verfilmungen betrifft. Da kann er sich gratulieren. Seine Sherlock-Holmes-Adaption »Das Geheimnis des weißen Bandes« ist den Originalkrimis treu und vielleicht gar besser als diese.
Wie sollte das Mimikry auch nicht hinzubekommen sein, wenn man sich mal wieder für einige Zeit in die Holmes-Storys vertieft? Dass erst jetzt ein weiterer Fall des Meisterdetektivs an die Öffentlichkeit kommt, ist schnell erklärt. Dr. Watson hat notiert, wie »Das Geheimnis des weißen Bandes« aufgeklärt wurde, war aber bald von Skrupeln geplagt, ob er der Öffentlichkeit die schockierenden Tatsachen zumuten könne. Und wie würde erst die Reaktion derjenigen sein, die in den Skandal verwickelt waren? Nun, so ganz und gar »politisch korrekt« ist der Text auch heute nicht, obwohl er durchaus auf ein aktuelles Medienthema zugeschnitten zu sein scheint.
Ja, zugeschnitten, damit alles passt: Wollen wir dem Autor übelnehmen, dass wir seine Story ohne Anstrengung, mit Freude und Spannung »schlucken«? Seien wir ihm doch dankbar, dass er uns den guten alten englischen Krimi wieder nahe bringt, den all die Thriller uns schon fast überdeckt haben. Der Roman beginnt mit dem Erscheinen eines Kunsthändlers, dem mehrere wertvolle Gemälde gestohlen wurden, der sich zudem bedroht fühlt, und setzt sich mit dem bestialischen Mord an einem Dreizehnjährigen fort, dem um das Handgelenk ein weißes Seidenband geschlungen wurde. Hinweis auf das »House of Silk«? Was verbirgt sich dahinter? Mehrere mysteriöse Fälle werden gekoppelt. Sie scheinen nichts miteinander zu tun zu haben, erst am Schluss stellt sich eine Verbindung her.
Irgendwann wird Sherlock Holmes sogar verhaftet, Watson muss um des Freundes Leben fürchten. Aber man weiß doch dass er sich immer wieder aus der Schlinge zieht ... Alles bleibt britisch wohltemperiert. Die Glaubwürdigkeit leidet darunter nicht. Mit leichter Hand bezieht Horowitz soziale Probleme ein, über die Arthur Conan Doyle womöglich seinerzeit die Nase gerümpft hätte. Rauschgift aus Afghanistan, ein Komplott zwischen betuchten Bürgern, Polizei und Monarchie - aha, das kennen wir. Das kann auch 1890 so gewesen sein, wenn die Handlung spielt, aber wir dürfen uns zugute halten, tieferen Einblick in gesellschaftliche Zusammenhänge zu haben.
Anthony Horowitz ist nicht der erste, der sich an Holmes-Romanen versucht. Und versiert, wie er ist, wird dem »Geheimnis des weißen Bandes« sicherlich bald eine Fortsetzung folgen.
Anthony Horowitz: Das Geheimnis des weißen Bandes. Der neue Sherlock Holmes Roman. Aus dem Englischen von Lutz-W. Wolff. Insel Verlag. 351 S., geb., 19,90 €.
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