Werbung

Schuldenkrise? Systemkrise!

Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung an den Finanzmärkten

Angela Merkel sieht die Schuld an der Krise bei einigen Ländern mit schludriger Haushaltspolitik. Dabei sind die Finanzmärkte außer Rand und Band geraten und verweigern einigen Staaten die übliche Schuldenrefinanzierung zu normalen Konditionen.

Nach Lesart der Kanzlerin wurde die Krise durch einzelne Euroländer ausgelöst, die über ihre Verhältnisse lebten. Deshalb müssen sie hart sparen, um ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Gerade Irland, Spanien und Portugal galten jedoch lange Zeit als Musterländer mit relativ niedriger Gesamtverschuldung und teils sogar mit Budgetüberschüssen. Es ist auch nicht richtig, dass die Bankenrettung im Zuge der Finanz- und Hypothekenkrise 2007/8 die Länder in die Überschuldung stürzte. Griechenland, Spanien und Portugal mussten ihren Banken damals nicht unter die Arme greifen.

Stattdessen gibt es eine Vielzahl krisenauslösender Faktoren, die sich im Verlauf gegenseitig verstärken. Es handelt sich nicht um eine Schulden- oder Bankenkrise - diese sind Folge einer systemischen Krise der deregulierten Finanzmärkte, die schon vorher im Gange war.

● Psychologie: Seit dem Crash der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 herrscht große Verunsicherung an den Finanzmärkten. Der Systemkollaps ist in den Bereich des Denkbaren gelangt. Selbst unbedeutende Ereignisse können Turbulenzen auslösen. Und bisher als sicher eingestufte Finanzprodukte wie Staatsanleihen verlieren diesen Status.

● Spekulation: Unsicherheit zieht Hedgefonds magisch an. Sie wetteten seit 2009 auf sinkende Anleihekurse und nahmen sich natürlich gerade das schwächste Euromitglied vor: Griechenland. Spekulationsvehikel waren Leerverkäufe und auch Kreditausfallderivate, deren Kurse durch die hohe Nachfrage stark stiegen - andere Marktteilnehmer interpretierten dies als Vorbote massiv sinkender Anleihekurse.

● Mangel an Solidarität: Die Spekulation wäre wohl ins Leere gelaufen, hätte die Politik sich vor die attackierten Länder gestellt. Gerade Kanzlerin Angela Merkel gab jedoch sofort Griechenland die Schuld. Dies war förmlich eine Einladung an die Spekulanten, die diese gerne annahmen. Der Erfolg ermutigte sie, es später gegen immer neue Länder zu versuchen.

● Finanzmarktmechanismen: Herdentrieb führt zu massiven Übertreibungen. Dadurch verstärkt sich im Aufschwung der Aufschwung und im Abschwung der Abschwung. Im Grunde war die Schuldenkrise eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Die Zweifel an der Sicherheit der Staatsanleihen ließen die Zinsen steigen, wodurch die Haushaltsprobleme wuchsen. Dies sorgte für noch größere Zweifel - ein Teufelskreis, der noch dadurch verschärft wurde, dass Ratingagenturen die Bonitätsnoten der betroffenen Staaten herabstuften.

● Ungleichgewichte: Spekulationen benötigen eine realwirtschaftliche Grundlage. Das grundsätzliche Problem sind die strukturellen Ungleichgewichte in der Eurozone: Länder wie die Bundesrepublik oder die Niederlande fahren hohe Leistungsbilanzüberschüsse ein, die von den südeuropäischen Staaten bezahlt werden, was dort zu chronischen Defiziten führte. Die Rezession 2009 im gefolge der Finanzkrise konnten wohlhabende Staaten wie Deutschland oder Frankreich mit Konjunkturprogrammen und Exporten schnell überwinden. Für Griechenland & Co. war dies nicht möglich. Die verordneten Sparprogramme machen einen Konjunkturaufschwung völlig unmöglich.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.