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Eine Einbahnstraße
Bernd Fischer über die Bruderschaft zwischen KGB und HV A
Er gehört zu den erfahrenen Nachrichtendienstlern der DDR. Bernd Fischer ist der letzte Leiter der ostdeutschen Auslandsspionage - wenn auch nur als deren Liquidator. Nun packt der 72-Jährige ein heißes Eisen an, an dem sich bislang keiner seiner Genossen versucht hat: Was sagen Insider zum Verhältnis von KGB und MfS? Um genau zu sein: zum Verhältnis der für Auslandsspionage zuständigen 1. Hauptverwaltung Aufklärung (HV A) und des sowjetischen Komitees für Staatssicherheit. Die Antwort nimmt er im Titel vorweg: Die sowjetischen Geheimdienstler waren wie »Der Große Bruder«.
Der muss aber nicht sonderlich nett gewesen sein, die Brüderlichkeit beruhte nur bedingt auf Gegenseitigkeit. Das gesteht Oberst a. D. Fischer ein: »Sicher bestand in bestimmter Weise eine ›Einbahnstraße‹.« Dies habe insbesondere den Austausch von Erkenntnissen betroffen. Informationen sind freilich das Herzstück, das Qualitätsmerkmal eines jeden Nachrichtendienstes.
Fischers Feststellung lässt sich schwerlich widersprechen. Allein im letzten Jahrzehnt der DDR reichte die HV A rund 52 000 Informationen nach Moskau, während von dort in diesem Zeitraum gerade einmal 13 000 auf den Schreibtischen in der Berliner Normannenstraße landeten. Das gilt selbst für Ausarbeitungen der Analytiker des ostdeutschen Nachrichtendienstes. Während SED-Generalsekretär Erich Honecker nur 850 Informationen vorgelegt wurden, ging zu gleicher Zeit an das KGB mehr als das Dreifache: 2600 Analysen. Das galt laut Fischer in erster Linie für Ergebnisse im militärischen Bereich. Das ist nachvollziehbar - zumindest teilweise. Die rund 1000 Informationen, die beispielsweise Rainer Rupp alias »Topas« aus dem Headquarter der NATO beschaffte, gingen nahezu vollständig in die Sowjetunion; Honecker erhielt nur vier Mal Kenntnis von hochbrisanten Materialien.
Die »Einbahnstraße« galt nicht allein für militärische, sondern ebenso für wissenschaftlich-technische und politische Fragen. Es fällt schwer, im Sektor Wissenschaft und Technik der HV A nicht primär eine Beschaffungsstelle auch der sowjetischen Industrie zu sehen. Jedes dritte Muster, Patent oder Verfahren, das von diesem Bereich der DDR-Auslandsspionage beschafft wurde, ging an die sowjetischen Freunde. Für jenen Sektor, so Fischer, habe ein speziell dafür eingesetzter Offizier die Wünsche der sowjetischen Seite formuliert. Und auch jede zweite Information aus Bundeskanzleramt und aus den Bundesministerien landete in der Moskauer Lubjanka. So gesehen arbeitete das inoffizielle Netz der HV A faktisch überwiegend dem KGB zu.
Das betraf auch vielfach die ostdeutsche Spionage in diplomatischen Vertretungen der DDR im westlichen Ausland. Die Residenten, wie die Vertreter der HV A vor Ort hießen, stimmten sich im »zumeist wöchentlichen Rhythmus« mit ihren sowjetischen Pendants ab. Fischer meint zwar, dass sich in den meisten Fällen die sowjetische Seite als die erfahrenere, also »die Gebende« erwiesen habe, doch darf dabei nicht übersehen werden, dass diese sich mit allen nachrichtendienstlichen Partnern des sozialistischen Lagers verständigte, während Residenten der HV A wesentlich die 1. Hauptverwaltung des KGB bedienten.
Das Selbstbewusstsein innerhalb der HV A wuchs enorm angesichts ihrer operativen Erfolge. »Enttäuscht und auch verbittert« sei man dementsprechend gewesen, als sich die HV A in Liquidation befand und Moskau »nichts unternahm, um unsere Mitarbeiter und unsere Kundschafter in der Bundesrepublik vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen«, wie sich Generaloberst a. D. Werner Großmann im Vorwort zu Fischers Buch erinnert. Die nachrichtendienstliche Einbahnstraße war bis zuletzt keine nur gefühlte Fiktion.
Bernd Fischer: Der Große Bruder. Wie die Geheimdienste der DDR und der UdSSR zusammen arbeiteten. Band 7 der Reihe »Geschichte der Hauptverwaltung A« Edition Ost, Berlin 2012. 224 S., br., 14,95 €.
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