Lachen und lachen lassen

Lebens-Philosophie

In Homerisches Gelächter brachen die gestandenen Wissenschaftler nicht aus, aber herzhaft gelacht wurde im Berliner Club Spittelkolonnaden. Es wurden auch viele alte DDR-Witze zum besten gegeben. Wobei man feststellte, jener Staat war gewitzter als die Bundesrepublik und führt ein lustiges Nachleben.

Das Kollegium Wissenschaft der Rosa Luxemburg Stiftung hatte geladen. Der Referent kam aus Regensburg: Dr. med. Nadim Sradj, Augenarzt und Experte für Humor, der bekanntlich heilsam ist. Mancher Scherz kann indes auch ins Auge gehen. Für den gebürtigen Syrer aus Aleppo ist Humor eine Lebensphilosophie. Lachen wecke vitale Kräfte, sei unabdingbar für Denken, Fühlen und Widerstehen. »Humor kann Lachen bewirken, aber umgekehrt ist nicht jedes Lachen humorbedingt.« Humor hat nach Sradj eine sozialkritische Funktion und gewinnt in der politischen Debatte zunehmend an Bedeutung. In dem nach Sokratischer Tradition praktizierten freien Gespräch fiel als Beispiel Gysis »Frühstücksrede« im Bundestag zum Jahrestag des Élysée-Vertrages, dem sich der Vorschlag zur Bildung einer deutsch-französischen Kommission zwecks Erörterung der Riten des Morgenmahls anschloss. Humor, so Sradj weiter, deckt Wahrheiten auf, entkrampft und erlöst in schwierigen oder peinlichen Situationen.

Gemäß Henri Bergson (1859-1941) lacht der Mensch erst, »wenn der Groschen gefallen«, die Pointe erfasst ist. Das sei für den französischen Philosophen, Literaturnobelpreisträger und Autor eines Buches über das Komische der Beweis für die reine Rationalität des Lachens gewesen - wider den tierischen Ernst. Da gab es Einspruch von Hunde- und Katzenhaltern: Auch Tiere könnten Freude zeigen. Sradj entgegnete, sie seien aber nicht zur Reflexion fähig: »Cogito ergo sum. Lachen ist lautes Denken. Humor setzt Wissen voraus.« Junge Schauspieler und Kabarettisten ergänzten: Humor ist zeit- und kulturspezifisch. »Der Staat«, nahm Sradj den Faden wieder auf, »ist nicht nur für die Sicherheit seiner Bürger verantwortlich, sondern auch für Heiterkeit.« Was aber tun, wenn die Zustände zum Heulen sind? Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Lachen also als staatsbürgerliche Pflicht, Protest des Citoyens? In mancher Situation bleibt Mensch nur noch Schwarzer oder Galgenhumor. Der befreien kann. Wenn es nicht die ewig Miesepetrigen gäbe, die gern die Keule der Political Correctness schwingen.

Den heiteren Disputanten fielen Karl Valentin, Charlie Chaplin und Marcel Marceau ein. Sie beklagten sodann die mit der Unterhaltungselektronik einhergehende Individualisierung und Kommunikationsarmut zu Lasten des Humors. Die jungen berufsmäßigen Possenreißer stöhnten, heutige Politiker würden Komikern und Kabarettisten die Show stehlen, unbewusst. Und Sradj erwähnte noch: »Diktatoren und Diktaturen kennen keinen Humor.« War die DDR ergo keine Diktatur?

Kollegiumsleiter Reinhard Mocek bemerkte abschließend, es bestehe weiterer Diskussionsbedarf. In der Tat. So blieb unerörtert, warum die Götter lachten, als sie Hephaistos' untreue Gattin Aphrodite mit Kriegsgott Ares im Ehebette sich vergnügen sahen. Aus Schadenfreude? Dem Gott des Feuers und der Schmiede war das Lachen schon längst vergangen. Er sollte es auch nicht mit seiner zweiten Gemahlin, Athene, wiederfinden.

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