Heaven shall burn
»Veto«
Seit Black Sabbath vor mehr als vierzig Jahren den Metal erfanden, hat sich die Szene in viele Sub-Genres gespalten: Heavy-, Death-, Thrash-, Black- und Speed-Metal sind wohl die bekanntesten auf einer schier unendlichen Liste. Anfang des neuen Jahrtausends machte ein neues Genre mächtig von sich Reden: Metalcore. Die von alteingesessen Metal-Fans schon damals kritisch beäugte Mischung aus Hardcore und Metal hatte zwar schon einige Jahre auf dem Buckel, dennoch schossen damals neue Metalcore-Bands wie Pilze aus dem Boden. Dieser Hype ist zum Glück spürbar abgeebbt, tot zu kriegen ist das Genre aber nicht.
Eine der Bands, die damals wie heute die Fahne der Szene hochhalten, ist Heaven Shall Burn. Nach einigen schwächeren Releases kommt mit »Veto« jetzt ein Album, das mit seinen elf Songs wieder an die Großtaten »Whatever it may take« und »Antigone« vor etwa zehn Jahren anknüpfen kann.
Die Mischung aus Härte und Melodie macht »Veto« zu einem Hitalbum. Heftige Breaks, meterhohe Gitarrenwände, ein treibendes Schlagzeug und der charismatische Gesang von Marcus Bischoff sind die Trademarks dieser Platte. Die Produktion ist wuchtig, hat kaum Ecken und Kanten und wird vor allem Freunde eines modernen Sounds überzeugen. Anspieltipps sind der Opener »Godiva«, »Like Gods among Mortals«, das stark an die englische Death-Metal-Walze Bolt Thrower erinnert, und das Blind Guardian-Cover »Valhalla«, bei dem Guardian-Sänger Hansi Kürsch ein gelungenes Gastspiel gibt.
Wo andere Metal-Bands regelrechte Arien auf zerstückelten Leichen, wildgewordene Zombies oder Fantasy-Schlachten im »Herr der Ringe«-Stil schmettern, ist bei Heaven Shall Burn Politik angesagt. Sie erinnerten in ihren Songs bereits an den chilenischen Sänger Victor Jara, der durch die Schergen Pinochets getötet wurde, und an die Schlacht um Sewastopol während des Zweiten Weltkrieges. Auch dieses Mal machen Heaven Shall Burn ihrem Ruf als linke Band alle Ehre. Auf »Veto« findet sich mit »Land of the upright Ones« eine Homage an den Staatsgründer von Burkina Faso, Thomas Sankara, und »53 Nations« thematisiert den Spanischen Bürgerkrieg in den 1930er Jahren.
Für Medieninteresse sorgten die Thüringer kürzlich mit »Hunters will be hunted«, das auch auf der aktuellen Scheibe zu finden ist. Darin sollen sie Jäger zu Freiwild erklärt und quasi für jedermann zum Abschuss freigegeben haben, so der Vorwurf. Das rief prompt den Deutschen Jagdverband (DJV) auf den Plan, der schweres Geschütz auffuhr: »Die Band ›Heaven Shall Burn‹ will ihren Lebensentwurf anderen mit Gewalt aufzwingen und ruft sogar indirekt zum Mord auf. Damit konterkarieren die ›Künstler‹ sich selbst und stellen die Demokratie, ja sogar den Rechtsstaat infrage«, empörte sich DJV-Präsident, Hartwig Fischer, auf »bild.de«.
Heaven Shall Burn - nach RAF und DKP die nächste Gefahr für die heile Welt des wohlsituierten Bürgertums? Gar ein Fall für den Verfassungsschutz? Fischer, der Mitglied in mehreren Schützenvereinen ist und überdies das CDU-Parteibuch in der Tasche hat, würde die Schlapphüte vermutlich gern auf die Thüringer ansetzen. Nötig wäre das indes nicht, wie aus einem Interview mit Gitarrist Maik Weichert in »Rock Hard« hervorgeht, der darin die Hinterhältigkeit des sogenannten Jägerhandwerks anprangert. »Was hat es mit Jagd zu tun, wenn ein Tier mit Futter angelockt oder aufgescheucht und getrieben wird, um dann hinterrücks erschossen zu werden? Nichts! Von mir aus kann jeder, der möchte, ein Messer nehmen, in den Wald gehen und gucken, ob er stärker ist als der erstbeste Keiler. Wenn ja, kann er sich was drauf einbilden«, gibt der Musiker zu Protokoll.
»Veto« ist ein Kreuzzug gegen das Unrecht, ein Abgesang auf die bürgerliche Gesellschaft und gleichzeitig ein Arschtritt für das deutsche Spießertum. Aber es ist auch eine richtig gut gemachte Platte, die Freunde zeitgenössischen Metals im CD-Regal stehen haben sollten.
Heaven shall burn: »Veto« (Century Media Records)
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.