Vom braven Parteifunk zum Rebellen
Die Journalistin Marion Brasch über das DT64-Festival
nd: Wir erinnern an die Geburtstage von Schriftstellern, Malern und anderen Künstlern. Einen eingestellten Radiosender durch seine kurzzeitige Wiederauferstehung zu würdigen, ist dagegen eher ungewöhnlich. Warum widmet sich ein dreitägiges Festival dem Jugendradio DT64?
Brasch: Weil DT64 ein ungewöhnlicher Sender war, zumindest in den letzten Jahren seines Bestehens. Ein so großes Festival war allerdings zunächst gar nicht geplant; wir dachten lediglich, man müsste zu diesem Jubiläum auf jeden Fall etwas machen. Doch dann fanden so viele Leute die Idee gut, dass es jetzt doch eine ziemlich große und bunte Sache geworden ist.
Wenn frühere Hörer DT64 rückblickend loben, geht es dabei vor allem um die letzten freien Jahre ohne die staatliche Zensur von Oben oder wie wichtig war das Jugendprogramm schon in den Jahrzehnten davor?
Die Rolle von DT64 hat sich natürlich in den knapp 30 Jahren seiner Existenz verändert. Zu DDR-Zeiten war es ein braves Jugendprogramm, das aber zumindest immer ein paar Nischen bot. Es wurde Westmusik gespielt, es gab Mitschnittsendungen usw. - Aber natürlich sendete das Programm immer schön ordentlich an der Parteilinie entlang, was dann doch insgesamt eher öde war. Die jungen Leute haben auch damals lieber RIAS oder andere Westsender gehört. Cool und interessant und kritisch wurde DT64 tatsächlich erst im Jahr 1989. Und das ist das Image, das geblieben ist, damit identifizieren die Leute heute DT64. Es hat nichts mit DDR zu tun, sondern mit Um- und Aufbruch.
Viel Musik, aber auch gesellschaftlich relevante Themen bestimmten das Programm von DT64. Gibt es in der heutigen Radiolandschaft vergleichbare Jugendsender oder dient heute als Maßstab einzig und allein die Zuhörerzahl?
In Berlin und Brandenburg gibt es ein gutes, junges Radioprogramm wie das von FRITZ zum Beispiel, oder die etwas erwachseneren Versionen wie radioeins oder Flux FM. Aber auch im Netz findet man Radioprojekte, die ihre Hörer ernstnehmen, weil sie wissen, dass junge Leute zwischen ihren Ohren auch noch ein Gehirn haben. Es gibt also zum Glück etwas mehr als nur laute, quotenjagende Ganztagsdudelei, das macht Hoffnung.
Trotz Protesten und vielen Bemühungen stellte DT64 im Mai 1993 sein Programm ein. Ist das Festival vielleicht auch ein Testlauf, um zu schauen, ob der Sender womöglich noch auf genug Interesse stößt, um irgendwann zurückzukehren?
Nein, auf keinen Fall. Wir sind hier wie gesagt mit guten und klugen jungen Radios gut versorgt, da braucht es kein neues altes DT64 mehr.
Viele einstige Weggefährten und Freunde von DT64 beteiligen sich an dem Festival im Babylon. Überrascht Sie so viel Zuspruch nach so vielen Jahren »off air«?
Die Organisation des Festivals macht nur eine winzige Truppe, einige ehemalige Kollegen werden auf der Bühne sein, wo wir ja auch miteinander reden wollen. Und ansonsten glauben und hoffen wir natürlich, dass viele DT64-Leute und vor allem auch Hörer vorbeikommen. Und ja, der Zuspruch ist wirklich toll, den bekommen wir sogar von sehr jungen Leuten, die den Sender nur noch vom Hörensagen kennen. Da muss also was dran sein ...
Sie waren von 1987 bis 1992 bei DT64 als Redakteurin beschäftigt. Wie stark hat sie die Arbeit unter den in dieser Zeit immer unsicherer werdenden wirtschaftlichen Bedingungen beim Sender geprägt?
Die Arbeit bei DT64 war sehr wichtig für mich, gerade in der Umbruchzeit 1989/90 hat mich die Zeit dort sehr geprägt. Als es dann hieß, der Sender werde abgeschaltet, war das natürlich bitter. Doch das war auch die Zeit, wo der Sender ganz eng mit seinen Hörern verbunden war, die ja zu Tausenden auf die Straße gegangen sind, um für den Erhalt von DT64 zu demonstrieren. Das war einzigartig und hat uns, den Machern, großen Mut gemacht, trotz ungewisser Zukunft weiterzumachen.
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