Machtloser Halbgott
Hardcore von Ryker’s
Hoch oben, da thront er: der Herkules. Die Statue ist das Wahrzeichen von Kassel, eine Stadt, die im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört wurde und heute in etwa den Charme des Ruhrgebiets versprüht. Der Herkules überblickt den Bergpark Wilhelmshöhe, das Schloss und die Löwenburg; besonders im Sommer ist er ein beliebtes Ausflugsziel der örtlichen Bevölkerung.
Doch in Kassel hat sich über die Jahre großes Unheil zusammengebraut, das selbst der griechische Halbgott nicht aufhalten kann. Ein Vulkan musikalischer Art ist ausgebrochen, der Nordhessen und die angrenzenden Bundesländer Niedersachsen und Thüringen zu verschütten droht: Ryker’s haben ihr Comeback-Album »Hard to the Core« an den Start gebracht. Sehnsüchtig wurde es erwartet, nachdem sich die Band 2000 vorläufig auflöste und das Feld vergleichbaren Bands wie Terror und Hatebreed überließ. Bis dahin waren die Kasseler eine große Nummer in der europäischen Hardcore-Szene - und gleichzeitig bei einem Teil der Subkultur umstritten. Zu raubeinig, zu machomäßig, so der Vorwurf. Zumindest in Deutschland waren Ryker’s als Hardcore-Proleten verschrien.
Die Nörgler von damals werden wohl auch an der neuen Scheibe herummäkeln, denn die Band hat sich seit ihrem Abtreten kein bisschen geändert. Immer noch sind die Einflüsse von Bands aus New York - vor allem Agnostic Front, Madball und Cro-Mags - nicht zu überhören, nach wie vor kann der eine oder andere Refrain (nicht nur mit drei Atü auf dem Kessel) lauthals mitgegrölt werden, und auch ein ordentlicher Schuss Metal lässt sich auf »Hard to the Core« nicht leugnen. Die Konkurrenz muss sich schon anstrengen, um diese Lavamassen aus dem Weg zu räumen.
Schon der Opener »The World as I see it today« weiß mit seiner an Slayer erinnernden Gitarre zu überzeugen. Das hätte die Thrash-Metal-Institution nicht besser hingekriegt, so viel steht fest. Der anschließende Titeltrack kommt mit wechselndem Tempo daher; besonders mit seinem prägnanten Refrain erinnert der Song an den alten Band-Klassiker »Brother against Brother«. »Divided by Colours« versprüht reichlich Stadionatmosphäre: Seine langsamen Parts, die melodischen Gitarrenparts und der charismatische Gesang verführen selbst in der U-Bahn zum Mitsingen - rhythmisches Schunkeln mit dem Sitznachbarn inklusive. »Born to fly« ist dann das Albumhighlight: Endlich ist der typische Ryker’s-Groove zurück. Wie wurde er vermisst!
Die Kassel-Crew erfindet mit den acht Songs das Rad nicht neu. Innovationspreise werden woanders vergeben und Erfindungen beim Patentamt angemeldet, heißt die Devise der Band. Hier wird Hardcore geboten, der Mitte der 1990er Jahre begeistern konnte. Nicht mehr und nicht weniger.
Ryker’s: »Hard to the Core«, erschienen bei BDHW Records
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