Wie weiter mit der BStU? Böhmer-Kommission startet
Ex-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt soll Vorsitzender werden: Aufarbeitungsphase sei »noch nicht abgeschlossen«
Berlin. Am Donnerstag tritt die vom Bundestag berufene 14-köpfige Experten-Kommission erstmals zusammen, die Vorschläge zur Zukunft der Stasiunterlagen-Behörde und für die Weiterentwicklung der Aufarbeitung der DDR-Geschichte unterbreiten soll. Auch der Vorsitzende des Gremiums, um dessen Besetzung auch mit Linken-Vertretern es zunächst Streit gegeben hatte, wird gewählt. Union und SPD hatten sich im Vorfeld der Berufung auf Sachsen-Anhalts ehemaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer verständigt. In der Arbeit der Kommission geht es unter anderem um die Frage, ob die Unterlagen-Behörde BStU nach 2019 eine eigenständige Institution bleibt oder dem Bundesarchiv angegliedert wird. Bis Ende 2015 will die »Böhmer-Kommission« zu einem Ergebnis kommen.
Böhmer äußerte sich in mehreren Zeitungen zu seiner Haltung. »Es gibt jetzt immer noch jährlich etwa 60.000 Anträge auf Akteneinsicht«, sagte er der »Mitteldeutschen Zeitung«. Die Aufarbeitungsphase sei »noch nicht abgeschlossen. Aber man kann davon ausgehen, dass das abnehmen wird. Und es geht dann einfach darum, allgemeine Erfahrungen und Konsequenzen aus einer Diktatur für die Gestaltung der Demokratie in Zukunft abzuleiten.« Der »Zeit« hatte er gesagt, »keiner wird den Vorschlag machen, die Stasi-Unterlagen-Behörde ohne weiteres aufzulösen«. Die Behörde diene der politischen Bildung und der Aufarbeitung der Vergangenheit.
Vor allem die Union hatte sich zunächst dagegen gesperrt, dass auch die Linke an der Kommission mitarbeitet. An der Erarbeitung des Antrags, mit dem das Gremium eingesetzt wurde, war die Linksfraktion auf Drängen der Union nicht beteiligt worden. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich sagte, man bedauere »es sehr, dass die anderen Fraktionen ohne uns einen Antrag zur Einsetzung der Expertenkommission erarbeitet haben. Als größte Oppositionsfraktion hätten wir uns hier gern eingebracht, zumal wir seit langem fordern, dass es diese Kommission gibt«.
Der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, hatte im Sommer im »nd«-Interview erklärt, er setze sich »dafür ein, dass es solange die Möglichkeit der Akteneinsicht - auch der Beratung und Hilfe - gibt, solange auch nur ein Einzelner diesen Wunsch hat«. Jahn hatte sich aber auch gewünscht, dass es nicht nur eine Beratung im Bundestag und eine Expertenkommission gibt. Es müsse »auch in der Gesellschaft eine breite Diskussion über die Zukunft und die Strukturen der Aufarbeitung der DDR« geben, hatte der frühere Bürgerrechtler erklärt. nd/mit Agenturen
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