UN warnen vor Lebensmittelknappheit in Nepal

Zahl der Erdbebenopfer steigt über 5.500 /Trümmer, fehlende Logistik, Regenfälle machen den Rettern zu schaffen / Solidaritätssignale vom Fußballspiel Real Madrid gegen Almería: »Todos con Nepal« / Tourismus am Mount-Everest soll weitergehen

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 15.50 Uhr: Nach dem schweren Erdbeben in Nepal drohen den Menschen in dem Land auch Probleme bei der Lebensmittelversorgung. Etwa 3,5 Millionen Menschen in Nepal bräuchten akute Nahrungsmittelhilfe, teilte die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO) am Donnerstag in Rom mit. Der Einfluss des Bebens auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelsicherheit in dem Land sei enorm. Etwa 8 Millionen US-Dollar (7,2 Millionen Euro) würden dringend benötigt, um betroffene Landwirte zu unterstützen.

»Es gibt ein kritisches Fenster, in dem Getreidebauern geholfen werden kann, rechtzeitig zu pflanzen, um dieses Jahr eine Ernte zu haben und ihre Selbstversorgung wiederzuerlangen«, erklärte Somsak Pipoppinyo, FAO-Vertreter in Nepal. Wenn die Landwirte nicht die bevorstehende Pflanzsaison für Reis vorbereiten könnten, drohe ihnen der Verlust der Reisernte, einem Grundnahrungsmittel des Landes. Dazu komme die Vernichtung von Vorräten sowie Weizen- und Mais-Ernten, die die Lebensmittelversorgung in Nepal massiv einschränken könne.

Update 12.00 Uhr: Fünf Tage nach dem schweren Erdbeben in Nepal wird es immer unwahrscheinlicher, Überlebende unter den tausenden eingestürzten Gebäuden zu finden. Doch immer wieder gibt es Grund zur Hoffnung. Zuletzt haben Helfer einen 18-Jährigen lebend aus den Trümmern gerettet. Der Nepalese habe in den Ruinen einer Pension in der Hauptstadt Kathmandu gelegen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er sei in guter Verfassung.

Auf Fotos lokaler Medien war zu sehen, wie zahlreiche Männer den Teenager auf einer Trage in Sicherheit bringen. Der 18-Jährige blinzelt im hellen Tageslicht, um seinen Hals liegt eine große Stützkrause. Einer der Helfer hält einen Infusionsbeutel in die Höhe.

Der junge Mann stamme aus dem Distrikt Nuwakot und habe als Helfer im Hidden Guest House in der Nähe der Busstation Gongabu gearbeitet, sagte der Sprecher weiter. Das UN-Büro für Katastrophenhilfe (Ocha) erklärte auf Twitter, an der Rettung seien ein Team aus den Vereinigten Staaten und lokale Kräfte beteiligt gewesen. Bilder zeigten zahlreiche Männer in Militäruniformen.

Zuvor hatten Helfer ein elfjähriges Mädchen noch lebend gefunden - 90 Stunden nach der Katastrophe.

Update 9.20 Uhr: Umstrittene Entscheidung: Die Regierung Nepals will trotz des verheerenden Erdbebens im Himalaya den Mount Everest nicht für Bergsteiger schließen. »Wenn die Kletterer gehen wollen, können sie noch immer gehen«, sagte GyanendraShrestha vom Tourismusministerium am Donnerstag. Er fügte hinzu: »So ist Abenteuer, es ist voller Unwägbarkeiten. Du bist selbst für deine Sicherheit verantwortlich. Die Regierung kann Katastrophen nicht verhindern.«

Bei dem Beben am Samstag hatten sich im Mount-Everest-Massiv zahlreiche Lawinen gelöst und Teile des Basislagers am höchsten Berg der Welt zerstört. Dabei kamen mindestens 18 Menschen ums Leben, darunter nach Angaben von Nepals Bergsteigervereinigung eine Australierin, zwei US-Amerikaner, ein Japaner und ein Chinese.

Mehrere große Expeditionsteams - wie Jagged Globe, die Teammitglieder verloren haben - haben ihre Vorhaben abgesagt. Sie wollen in diesem Jahr nicht mehr von Nepal aus auf den Mount Everest steigen. Auch auf chinesischer Seite zogen sich aus Furcht vor Nachbeben zunächst alle ins Basislager zurück. Bergsteiger wie der Tiroler Alois Fuchs berichteten von dort, der Berg sei gesperrt. Auch das deutsche Team Amical Alpin und das Schweizer Team von Kobler & Partner drehten um.

Einige Gruppen in Nepal planten den Aufstieg noch, sagte Shrestha. Allerdings müsse eine neue Route durch den gefährlichen Eisfall gelegt werden. Die alte Route - die mit Leitern und Seilen gesichert war - wurde von Lawinen zerstört. Die etwa 180 Bergsteiger, die oberhalb des Eisfalls festsaßen, wurden sicher ins Tal gebracht.

Update 9.00 Uhr: Fünf Tage nach dem schweren Himalaya-Erdbeben ist die Zahl der Toten auf mehr als 5500 gestiegen. Die Behörden in Nepal sprachen am Donnerstag von 5489 Toten; in den Nachbarländern Indien und China starben zusammen mindestens 100 Menschen. Schwere Regenfälle erschweren mittlerweile die Arbeit der Rettungskräfte in der bergigen Region; Helfer befürchten Erdrutsche. Die nepalesische Armee begann nach eigenen Angaben damit, in den besonders schwer betroffenen Gebieten Hilfsgüter aus der Luft abzuwerfen. 90 Prozent aller Soldaten und 33.000 Polizisten seien im Einsatz. Das Beben mit der Stärke 7,8 hatte am Samstag große Teile des Himalaya erschüttert.

Trümmer, fehlende Logistik und der schlechte Handy-Empfang erschweren den Helfern die Arbeit im Erdbebengebiet. Das berichtete das UN-Büro für Katastrophenhilfe (Ocha) in der Nacht zum Donnerstag. Auch bestehe die Gefahr weiterer Erdrutsche in dem Himalaya-Land, weil es derzeit ständig regnet. Außerhalb der Hauptstadt Kathmandu sei die Suche nach Verschütteten und Auslieferung von Hilfsgütern »noch immer eingeschränkt«, erklärte die UN weiter.

Manche Gegenden könnten nur zu Fuß erreicht werden, seien aber vier bis fünf Tagesmärsche von der nächsten Straße entfernt. Es stünden nur zwei Helikopter zur Verfügung, um Nahrungsmittel im Distrikt Gorkha zu verteilen, wo das Epizentrum des Bebens lag. Auch gebe es nicht ausreichend Treibstoff.

Unterstützung für die Menschen in Nepal kommt aus aller Welt - von einfachen Menschen im Nachbarland Indien, die Essenspakete schicken, bis hin zu US-Präsident Barack Obama, der mit Nepals Ministerpräsident Sushil Koirala telefonierte. Auch Fußballstars gehören zu den Unterstützern. Bei der Partie der spanischen Clubs Real Madrid gegen Almería legten die Spieler eine Schweigeminute ein und trugen T-Shirts mit der Aufschrift: »Todos con Nepal« (Alle für Nepal).

Die Zahlen der Vereinten Nationen machen das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich: Acht Millionen Betroffene, davon brauchen 3,5 Millionen Menschen Nahrungsmittel. 2,8 Millionen Menschen sind den Schätzungen zufolge obdachlos. Bislang gelingt es nur einzelnen Teams, Kathmandu zu verlassen. US-Katastrophenhelfer haben die stark betroffene Stadt Bhaktapur erreicht, um nach Verschütteten zu suchen, sagte die Sprecherin im State Department, Marie Harf.

Die UN koordiniert mittlerweile mehr als 1.700 spezialisierte Helfer aus mindestens 22 Ländern in Nepal, darunter mindestens 58 Deutsche. Derzeit verteilen sie vor allem Planen, Zelte, Decken und Hygiene-Sets. Allerdings mache es ihnen zu schaffen, dass es in den Zeltstädten keine Verwaltung gebe und bislang keine Daten erhoben wurden, was die Menschen dort brauchen.

Zahlreiche Bewohner Nepals sind wütend auf die Regierung ihres Landes. Sie glauben, dass nicht genug getan wird, um Lebensmittel und Wasser zu verteilen. Als Premierminister Koirala den Stadtteil Basantapur in Kathmandu besuchte, hätten zahlreiche Überlebende ihn umzingelt und ihrem Zorn Ausdruck verliehen, berichtete die Zeitung »Kantipur« online. Hunderte Menschen hätten auch vor Regierungsgebäuden demonstriert. Sie forderten demnach, die Regierung solle Busse zur Verfügung stellen, damit sie Kathmandu verlassen und zu Verwandten fahren können. Agenturen/nd

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