Werbung

Steuerung unklar

Kontroverse neue Vorschläge von CDU und SPD zur Regelung der Zuwanderung

Die Flüchtlingsfrage entzweit die Koalition weiterhin: Während sich die SPD für eine Kontingentlösung ausspricht, kommt aus Sachsen-Anhalt ein neuer Vorschlag für eine Obergrenze der Einwanderung.

Die Große Koalition in Berlin drängt angesichts der hohen Flüchtlingszahlen mehr und mehr auf eine europäische Lösung. Nur eine gemeinsame Antwort der Europäischen Union und eine Verteilung nach festgelegten Kontingenten werde in Deutschland zu einer merklichen Entlastung führen, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD) der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Die Gewissheit über eine legale Einreise in die EU würde Özoguz zufolge auch verhindern, dass sich Familien mit minderjährigen Kindern auf eigene Faust auf den gefährlichen Weg in sichere Länder machten.

Für eine solche Kontingentregelung setzt sich auch Armin Laschet ein. Der CDU-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen erhofft sich dadurch für Deutschland eine bessere Steuerung der Zuwanderung und letztlich eine Verringerung des Zuzugs. Man müsse »wegkommen« von der Zahl von »einer Million Menschen«, die pro Jahr nach Deutschland flüchteten, sagte er dem WDR.

Laschet wies aber darauf hin, dass eine Kontingentlösung nicht mit dem Asylrecht kollidieren dürfe: »Eine Obergrenze für Grundrechte kann es prinzipiell nicht geben.« Die Hilfe für die Flüchtlinge sei eine »humanitäre europäische Verpflichtung«, unterstrich er. Darauf pochte auch Özoguz: Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und den EU-Richtlinien wäre Deutschland auch bei Kontingentvereinbarungen weiterhin verpflichtet, ein individuelles Recht auf ein faires Asylverfahren zu garantieren.

Doch die Kontingentregelung war am Dienstag nicht der einzige Vorschlag zur Neuregelung der Zuwanderung. Ein Vorstoß kam auch aus Sachsen-Anhalt. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) plädierte angesichts der Herausforderung insbesondere für die Städte und Gemeinden darauf, Kommunen und Ländern mehr Gehör zu schenken und sie zum Gradmesser der Überforderung zu machen. »Wir müssen in den Kommunen und in den Ländern abfragen, wer wie viele Menschen dauerhaft aufnehmen und erfolgreich integrieren kann«, schlug der Ministerpräsident gegenüber dem »Handelsblatt« vor.

Für Sachsen-Anhalt nannte er auch eine genaue Zahl an Einwanderern, die das Land jährlich aufnehmen könne: 12 000 - dann sei die Obergrenze erreicht. Dabei verliert kein Bundesland so viele Einwohner wie Sachsen-Anhalt. Die Jugend sieht dort keine Zukunft, sagen Experten. Zeitungen schreiben von einer Karrierewüste. Dass Flüchtlinge zur Lösung der immensen Probleme beitragen können, glaubt Haseloff offenbar nicht. Denn die Zahl an Zuwanderern, die er bereit ist aufzunehmen, gleicht nicht einmal den Bevölkerungsschwund aus. Im vergangenen Jahr betrug das Defizit mehr 15 000 Einwohner.

Wulf Gallert, Fraktionschef der LINKEN im Magdeburger Landtag, hält Haseloffs Vorschlag einer strikten Obergrenze, die bundesweit hochgerechnet eine Aufnahme von knapp 420 000 Flüchtlingen bedeuten würde, für verantwortungslos: »Jede einzelne Flucht ist ein tragisches Schicksal, niemand hat ein Interesse daran, dass die Zahl der Betroffenen permanent steigt«, sagte Gallert.

Doch Haseloffs Vorstoß, die von Bund und Ländern finanziell abhängigen Kommunen über eine Belastungsgrenze mitbestimmen zu lassen, ist ein komplett entgegengesetzter Vorschlag zu dem Versuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Flüchtlingsfrage in einem europäischen Rahmen zu lösen. Gegenwind erhält die Kanzlerin nicht nur von der CSU, die bekanntlich nationale Obergrenzen einfordert - auch innerhalb ihres eigenen Lagers gibt es noch erheblichen Klärungsbedarf.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.