Polnisches Parlament lehnt striktes Abtreibungsverbot ab
Gesetztesinitiative unter dem Druck von Massenportesten zurückgenommen / Aktivistin: »PiS hat Angst vor den Frauen bekommen«
Update 12.00 Uhr: Gesetzesinitiative unter dem Druck von Massenprotesten zurückgenommen
Das polnische Parlament hat die umstrittene Gesetzesinitiative für ein striktes Abtreibungsverbot abgelehnt. Eine klare Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Donnerstag gegen den Entwurf. Auf Initiative des Bürgerkomitees »Stoppt Abtreibung« war vergangene Woche im Parlament ein Gesetzentwurf für ein praktisch vollständiges Verbot von Schwangerschaftsunterbrechungen eingebracht worden. Dagegen hatte es massive öffentliche Proteste gegeben.
Von den anwesenden Abgeordneten im 450 Sitze zählenden Unterhaus votierten 352 gegen den Entwurf und 58 dafür. 18 Parlamentarier enthielten sich in dem von der regierenden Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) beherrschten Sejm der Stimme. Die nationalkonservative Partei hatte die Initiative des Komitees ursprünglich unterstützt, war dann aber unter dem Druck des Massenprotests eingeknickt. Schätzungen der Polizei zufolge waren am Montag landesweit rund hunderttausend Menschen gegen die Gesetzesinitiative auf die Straße gegangen.
Dem Gesetzesentwurf zufolge sollten Schwangerschaftsabbrüche künftig nur noch erlaubt sein, wenn das Leben der Schwangeren unmittelbar bedroht ist. Sowohl die ausführenden Ärzte als auch die betroffenen Frauen sollten mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können.
Polen: Abtreibungsverbot nach Protesten vor dem Aus
Berlin. Widerstand wirkt: Nach den beeindruckenden Protesten von Frauen in Polen steht das hoch umstrittene Abtreibungsverbot kurz vor dem Aus. In einer kurzfristig einberufenen Sitzung stimmte der zuständige Parlamentsausschuss am Mittwochabend dafür, den Gesetzentwurf einer rechtskonservativen Bürgerbewegung zu verwerfen. Die Initiative »Stop Aborcji« (»Stoppt Abtreibungen«) sah ein Totalverbot von Schwangerschaftsabbrüchen sowie Haftstrafen für Frauen und Ärzte vor. Sie wurde von Menschenrechtlern und Frauenbewegungen scharf kritisiert. Das Parlament, in dem die Regierungspartei PiS die absolute Mehrheit hat, hatte den Entwurf in erster Lesung angenommen und damit massive Proteste ausgelöst. Am Montag gingen landesweit Zehntausende Polinnen auf die Straße.
Die Ablehnung des Entwurfs erfolgte nun auf Antrag des PiS-Abgeordneten Witold Czarnecki. Die schnelle Reaktion von Seiten der Regierung werteten Gegner des Abtreibungsverbots als Erfolg ihrer Proteste. »Die PiS hat Angst vor den Frauen bekommen, die auf die Straße gegangen sind«, sagte die ehemalige liberale Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, die im Justizausschuss sitzt. Der Kampf sei aber noch nicht vorbei, weil nun noch die Parlamentsabgeordneten gegen den Gesetzentwurf stimmen müssten. Die Abstimmung findet voraussichtlich am Donnerstag statt. Die Abtreibungsgegner kritisierten das Vorgehen der Regierenden. Die Debatten seien viel zu kurzfristig und nicht ordnungsgemäß einberufen worden, monierten sie.
Vorsichtigen Schätzungen der Polizei zufolge waren am Montag landesweit rund hunderttausend Menschen auf die Straße gegangen, um gegen ein komplettes Abtreibungsverbot zu demonstrieren. Am Tag darauf deutete sich bereits ein vorsichtiger Kurswechsel in der Regierung an, als Ministerpräsidentin Beata Szydlo betonte, der Gesetzentwurf stamme nicht von der Regierung, sondern von einer Bürgerinitiative. Ihre Regierung habe kein Gesetz zur Änderung der bestehenden Regelungen beim Thema Abtreibung in Arbeit, sagte sie vor Journalisten. Einer ihrer Stellvertreter, Wissenschaftsminister Jaroslaw Gowin, ging noch weiter, indem er einem Regionalsender sagte, dass es kein Abtreibungsverbot geben werde, wenn die Frau Opfer einer Vergewaltigung geworden sei oder wenn ihre Gesundheit oder ihr Leben in Gefahr seien. Die Proteste am Montag »haben uns nachdenklich gemacht und uns Bescheidenheit gelehrt«, fügte er hinzu.
Schon jetzt ist das polnische Abtreibungsrecht so restriktiv wie fast nirgendwo sonst in Europa. Erlaubt ist Abtreibung nur bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren, Hinweise auf eine schwere unheilbare Erkrankung des Kindes oder bei Vergewaltigung oder Inzest. Agenturen/nd
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