»Die Räumungen waren falsch«

LINKE positioniert sich in Besetzungsdebatte / Aktivist*innen halten an Kritik fest

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 4 Min.

So kurz wie mancher behauptet scheint der »Frühling der Besetzung« doch nicht zu werden. Nach der Belagerung mehrerer Häuser in Berlin und Potsdam am Pfingstwochenende und der folgenden Räumung durch die Polizei ist in der Landesregierung die Debatte zum Thema Hausbesetzungen neu entfacht. In einem einstimmigen Beschluss positioniert sich die Linkspartei nun zu dem Thema - teilweise viel deutlicher im Sinne der Besetzer*innen als bisher.

Für die Reaktionen der LINKEN auf die mitunter gewaltsamen Räumungen der Polizei hatten die Besetzer*innen diese stark kritisiert. So bezeichnete Bausenatorin Katrin Lompscher die Gründe für die Besetzungen - der Protest gegen Wohnungsmangel und Leerstand - zwar als nachvollziehbar, hielt die Räumung aber für gerechtfertigt. In dem Beschluss heißt es nun eindeutig: »Die Räumungen waren falsch.« Die LINKE fordert, dass alle Strafanträge gegen Aktivist*innen, gegen die seit Pfingstsonntag ermittelt wird, zurückgenommen werden. Schon 2014 hatte der Parteivorstand einen Beschluss verabschiedet, nach dem das Besetzen von Wohnungen, die bereits länger als ein Jahr lang leerstehen, »entkriminalisiert« werden soll.

Kommentierte der Landesverband noch am Sonntag, dass es »schade« sei, dass zwischen den Besetzer*innen und der Hausverwaltung »Stadt und Land« im Falle der Bornsdorfer Straße keine Einigung zustande kam, formuliert die LINKE in dem Papier, das »nd« vorliegt, harte Vorwürfe an Innensenator Andreas Geisel (SPD). Dessen Beharren auf der sogenannten Berliner Linie und der daraus folgenden Räumung binnen 24 Stunden habe die Bemühungen der Senatsverwaltung »torpediert« und eine nachhaltige Lösung verhindert, »die zu diesem Zeitpunkt bereits in greifbarer Nähe gewesen sei«.

Die Linkspartei fordert inzwischen eine Abschaffung der Berliner Linie. Sie schlägt vor, stattdessen Besetzungen im Einzelfall zu prüfen, das heißt, die Gründe für den Leerstand des Hauses und die nötigen Maßnahmen, den Wohnraum wieder herzustellen, zu klären. »Wohnungen sind zum Wohnen und nicht zum Leerstehen da«, heißt es in dem Beschluss. Besetzungen könnten nach Sicht der LINKEN »ein wirksames Instrument gegen Leerstand sein«. Um diesen zu bekämpfen fordert die Partei außerdem einen Aktionsplan, eine Sonderermittlungsgruppe und ein landesweites Leerstandsmonitoring.

Der Beschluss ist auch ein Versöhnungsangebot der LINKEN an die Aktivist*innen, die sie zuvor verprellt hatte. Bei Facebook schreibt die Partei: »Die Hausbesetzungen am Sonntag waren eine spektakuläre Aktion gegen Leerstand, gegen Wohnungsnot und steigende Mieten. Lasst uns über Entkriminalisierung von Hausbesetzungen reden.«

Bei der Initiatorengruppe »Besetzen« kommt dies nur bedingt gut an, sie vermuten dahinter eine Werbemaßnahme: »Wenn die Politik uns mit unseren Anliegen helfen will gerne«, sagt eine Sprecherin der Gruppe gegenüber »nd«. Meist gingen die Parteien jedoch nur auf »Wählerfang« und setzten ihre Versprechen nicht in die Tat um. »Man kann sich aus unserer Sicht nicht auf die Politik verlassen, das hat man auch am Wochenende gesehen«, so die Sprecherin. »Wir wollen einen sozialen Wandel und eine Politik von unten.«

LINKEN-Landesvorsitzende Katina Schubert hält diese Anschuldigungen für ungerechtfertigt. Wohn-Staatsekretär Sebastian Scheel (LINKE) hatte sich am Pfingstsonntag vor Ort um eine friedliche Lösung und die Vermeidung einer Räumung bemüht. »Insofern spiegelt der Beschluss unsere Haltung als Partei am Sonntag und an allen Tagen wider«, sagt Schubert gegenüber »nd«.

Die Forderungen der Aktivist*innen decken sich mit denen, die die LINKE in ihrem Beschluss formuliert: Weg mit der Berliner Linie, Hausbesetzungen entkriminalisieren und die Einstellung der Ermittlungen gegen die Besetzer*innen. Laut Schubert versuche die Linkspartei ihre Position innerhalb der Koalition mehrheitsfähig zu machen. »Möglicherweise steht am Ende ein Kompromiss. In der Auseinandersetzung um die Hausbesetzungen stehen wir jedoch am Anfang - innerhalb der Koalition und innerhalb der heutigen Stadtgesellschaft«, so Schubert.

Die Aktivist*innen von »Besetzen« bleiben skeptisch. »Wir glauben nicht daran, dass wir unsere Ziele mit Parteien erreichen können«, so die Sprecherin. »Wenn sie ihre Forderungen trotzdem politisch durchsetzen, begrüßen wir das.«

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