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  • Linke Kneipe in Berlin

Syndikat gegen Goliath

Eine Kneipe kämpft gegen ihren Eigentümer - einen britischen Immobilienriesen

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 5 Min.

Sehr geehrte Mieter*innen! Wem gehört Ihr Haus?» Einen Brief mit dieser Anrede werden inzwischen so manche Berliner*innen in ihrem Briefkasten gefunden haben. Absender ist das Neuköllner Kneipenkollektiv Syndikat. Die Verfasser*innen wollen mittels der Briefe weitere Häuser mit demselben Eigentümer ausfindig machen - um so mehr Druck auf diesen ausüben zu können. Denn das Syndikat verfolgt ein klares Ziel: Die Verlängerung des Mietvertrags, der am 31. Dezember ausläuft.

Seitdem die Kiezkneipe nach 33 Jahren Bestehen die Kündigung für ihre Räume in der Weisestraße 56 erhalten hat, kämpfen Betreiber*innen, Nachbar*innen und Stammgäste für deren Erhalt. Neben zahlreichen Kundgebungen und Soli-Aktionen bemüht sich das Kollektiv vor allem um Gespräche mit dem Eigentümer - und das ist gar nicht so leicht.

2016 wurde das Haus im hippen Nordneuköllner Schillerkiez verkauft. Bei einem ersten öffentlichen Not-Plenum kurz nach der Kündigung im September kannten die Betreiber*innen bereits den Namen des Hausbesitzers, die Firnan Properties S.A.R.L. Die Firma mit Sitz in Luxemburg sei jedoch nur ein Briefkasten «zwischen einem Friseursalon und einem Nagelstudio», so Kollektivmitglied Lukas. Fotos von vor Ort zeigen in der Tat einen Briefkasten mit einer imposanten Liste an Immobilienunternehmen, die allesamt in derselben Adresse in der Avenue de la Gare gemeldet sind.

Unter den 76 Firmen, von Admiral Properties bis Winch Properties, findet sich auch der Eigentümer der Weisestraße 56. Viele von ihnen haben dieselben Geschäftsführer, deren Spur führt wiederum zur Pears Global Real Estate Group - einer der wohl größten privaten Immobilienunternehmen der Stadt. Trotz ihrer Größe ist die Pears Group kaum bekannt, weder hier noch in London, wo die Firma ihren Hauptsitz hat. Auch in Großbritannien ist das Familienunternehmen eines der größten auf dem Immobilienmarkt. Das britische Finanzmagazin «This is money» schätzt das Vermögen der Pears Group auf rund 7 Milliarden Euro. Die Investorenfamilie meidet die Öffentlichkeit, statt ihnen treten fast immer Briefkastenfirmen als Eigentümer ihrer Immobilien auf. Nur ein einziges Mal äußert sich der Firmenchef Mark Pears öffentlich und erklärt in einem Interview mit dem «Telegraph» von 2011, dass die Gruppe neue Investitionen in Europa plane, hauptsächlich in Wohneigentum in Deutschland.

Dieser Plan scheint aufgegangen zu sein: Auf ihrer deutschen Website gibt die Firma an, bundesweit 6200 Miet- und Gewerbeeinheiten zu besitzen, die meisten davon in Berlin. Das Syndikat ist dabei nicht die einzige, denen die Pears Group die Kündigung ausgesprochen hat. Neben dem Heimwerkgeschäft Heimwerk in Moabit gehört auch der Blumenladen Pusteblume in Friedrichshain dazu.

Auf rechtlichem Weg ist in solchen Angelegenheiten meist nichts zu machen. Schutzmechanismen für Wohnraum, wie die Mietpreisbremse oder der Milieuschutz gelten nicht für Gewerbe. Es gibt kein eigenes Gewerbemietrecht, stattdessen finden sich Vorschriften innerhalb des Mietrechts für Wohnraum, das im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist. Das hat zur Folge, das besonders linke und Eckkneipen, Bäcker, Handwerksbetriebe und sogar soziale Einrichtungen, Jugendzentren und Kitas immer stärker von Verdrängung betroffen sind. Gewerbemietverträge gelten oft nur für Zeiträume von ein bis zwei Jahren. Bei jeder Verlängerung oder Neubelegung kann der Eigentümer die Miete beliebig erhöhen, gesetzliche Regelungen gelten nicht. Und so werden lang ansässige Gewerbetreibende in Berlin stetig durch finanzstarke Gastronomen oder Ketten ersetzt.

Auch der Anwalt des Syndikats sieht keine Chance, auf gerichtlichem Weg eine Einigung zu erzielen. Selbst dem Bezirksamt sind die Hände gebunden: «Bei Gewerbemietverträgen gibt es keinerlei rechtliche Einflussmöglichkeiten des Bezirks, um eine Verlängerung des Mietvertrags zu erwirken», sagt Grünen-Bezirksstadtrat Jochen Biedermann. Abhilfe könne nur die Reform des Gewerbemietrechts auf Bundesebene oder ein deutlich größerer kommunaler Wohnungsbestand sein. Der Bundesrat hat am 19. Oktober eine Anpassung des Gewerbemietrechts beschlossen, weil man mit Besorgnis beobachte, dass sich durch «erhebliche Steigerungen der Gewerbemieten ein Strukturwandel abzeichnet, der auch von einer Verdrängung kleiner inhabergeführter Gewerbebetriebe und sozialer Einrichtungen geprägt ist». Gesetzesentwürfe gibt es bisher jedoch nicht.

Auf Gesetzesänderungen kann das Syndikat nicht mehr warten. Der Mietvertrag der Kneipe endet in wenigen Wochen. Versuche, mit der Hausverwaltung, der Deutschen Immobilien Management (DIM), und dem Eigentümer ins Gespräch zu kommen, blieben bislang erfolglos. «Anrufe, Briefe, Mails - da kam bisher keine Reaktion», erzählt Kollektivmitglied Christian. «Die Sachbearbeiterin kommuniziert überhaupt nicht mit uns.»

So auch, als drei Leute vom Kollektiv Ende der Woche unangekündigt am Sitz der DIM in der Potsdamer Straße in Schöneberg auftauchen. «Wir sind hier für den Erhalt des Syndikats und wollen unserer Sachbearbeiterin 4000 Unterschriften übergeben, die uns unterstützen», erklärt Christian der Sekretärin. Die ist sichtlich irritiert. Nach einem kurzen Telefonat sollen die Kollektivmitglieder zunächst warten, nach wenigen Minuten klingelt jedoch erneut das Telefon und die Sekretärin teilt mit, dass sie die Unterschriften an die Sachbearbeiterin überreichen wird und das Kollektiv nicht vorsprechen kann. «Damit hatte ich schon gerechnet», sagt Christian. Dennoch bittet er die Frau, der Sachbearbeiterin auszurichten, dass das Syndikat weiter auf Verhandlungen mit dem Eigentümer hofft.

Als die Gruppe wenige Stunden später mit ungefähr 70 Unterstützer*innen vor dem Berliner Büro der Pears Group am Kurfürstendamm eine Kundgebung abhält, informiert sie die Polizei, dass heute niemand im Büro sei. «Jetzt konnten wir die Unterschriften nicht überreichen», sagt Christian. Überrascht ist er nicht, dass das Büro leer ist. «Das ist ja auch ein Zeichen.»

Tatsächlich scheint die Pears Group sich unter Druck gesetzt zu fühlen. Dass das Syndikat zunehmend die Öffentlichkeit sucht und das Unternehmen, dass sich gern bedeckt hält, bekannter wird, scheint unangenehm zu werden. Als Reaktion hat die Pears Group bereits ihre Webseiten vom Netz genommen, die Firma spricht nicht mit dem Bezirk, ihren Mieter*innen vom Syndikat oder der Presse. Das Kollektiv und deren Unterstützer*innen machen weiter - in der Hoffnung dieses Schweigen noch zu brechen.

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