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So eine Erholung!
female:pressure feiert 20 Jahre Frauenförderung im Bereich elektronischer Musik
Vor zwanzig Jahren gründete Susanne Kirchmayr das Projekt female:pressure - damals noch eine Datenbank, die weibliche DJs listete. Die gebürtige Wienerin, die sich in den neunziger Jahren als Electric Indigo mit Techno einen Namen machte und seither durch die Welt tourt, begegnete damals zu vielen Menschen, die Frauen am DJ-Pult für Exoten hielten. Was aus der Not geboren wurde, ist heute zu einem Ort des feministischen Diskurses gediehen: f:p, das feministische Netzwerk für Frauen, die elektronische Musik machen, zählt weltweit über 2000 Mitglieder, die per Mail in Kontakt bleiben. Es gibt keine Zentrale, keine Hierarchien, dafür aber rege Debatten. Sowie den FACTS-Report, der die Line-Ups internationaler Festivals auf das Verhältnis der Geschlechter hin analysiert: Von Parität kann da noch keine Rede sein, mittlerweile aber scheint die Musikindustrie für das Problem sensibilisiert - was auch der Verdienst von f:p ist. Grund genug für eine Jubiläumssause.
Wer will, kann spielen: Es ist Donnerstag, Feierabendzeit, aber Antje Meichsner hat noch alle Hände voll zu tun. Die Dresdener Klangkünstlerin prüft ihre Tracks, sie eröffnet die Geburtstagsfeier von female:pressure. Als die Einladung in Meichsners Mail-Eingang landet, meldet sie sich sofort zurück. Bald zehn Jahre ist es her, dass sie Kirchmayr bat, sie unter ihrem Künstlernamen Shannon Soundquist zu listen. Das Netzwerk hat ihr wertvolle Erlebnisse beschert - etwa den Workshop bei der Produzentin, Tontechnikerin und DJ Maya Consuelo Sternel.
Meichsner hatte bis dato nur von männlichen Bekannten gelernt und sich dabei wie »aufgespalten« gefühlt: »Entweder wird man als Kumpel, aber nicht als Frau wahrgenommen oder als Frau, aber nicht als Mensch, mit dem man Technik bespricht«, erklärt sie. Weil über das Fachwissen Männlichkeit konstruiert werde, habe meist eine Atmosphäre der Mackrigkeit geherrscht. Ganz anders, als Meichsner der Kollegin aus dem Netzwerk begegnet. Noch heute entfährt ihr ein Seufzen, wenn sie sich daran zurückerinnert: »Das ist so eine Entspannung, so eine Erholung gewesen!«
Freitagnachmittag, grauer Himmel, nasser Beton: Am Hintereingang eines Clubs warten zwei Dutzend Berlinerinnen. Auch sie werden lernen, denn zum Jubiläumsprogramm von f:p gehören drei kostenfreie Workshops. Später, im Voice-Looping-Kurs sitzt der in Operngesang ausgebildete Profi aus den USA neben der Hobby-Singer-Songwriterin aus dem Schwabenland. Beider Augen weiten sich, als die Kursleiterin mit sanfter, hoher Stimme Melodien ins Mikro singt, Rhythmen dazuspuckt, das Aufgenommene mittels Technik verfremdet, bis manches wie Krötenrufe vom Brunnengrund klingt. Als sich all das zu einem organischen Ganzen zusammenfügt, ruft eine Teilnehmerin: »Das war großartig, jetzt habe ich eine Million Fragen!« Bis zum Ende des Workshops sind sie alle beantwortet.
Anschließend erörtern Musikerinnen auf einem Panel, inwiefern ein intersektionaler Feminismus, welcher also kombinierte Diskriminierungsformen berücksichtigt, die Teilhabe in der Musikbranche befördern könnte, und informieren über Fragen, die das Netzwerk in der Vergangenheit gespalten haben: Darf nur dazugehören, wer sich im binären Geschlechterkonzept verorten kann? Genderneutrale Anrede in den Mails, ja oder nein? Wie umgehen mit den Mitgliedern, die andere beleidigen?
In der Runde sitzt auch Leah King, die sich als Vermittlerin für New-York-bezogene Kontakte versteht. Statt sich in »oppression olympics« zu verrennen, wünscht sie sich mehr Anerkennung untereinander. »Die intersek-tionale Perspektive setzt auf Inklusion, nicht auf Konkurrenz«, sagt sie. Ob DJ oder DJane, Ladies oder pressurists (zu Deutsch: Druckmacher): Nicht immer seien Labels die Antwort.
»Keine Ahnung, was Frau ist, keine Ahnung, was Mann ist«, hört man auch von der Tanzfläche nebenan, wo Meichsner ihr Live-Set begonnen hat. Die tiefsten Töne eines Klaviers rumpeln, der Klang fester Schritte in einem kahlen Gang. »Der Wahnsinn, an das Unvorstellbare zu glauben«, spricht Meichners aufgezeichnete Stimme. Doch das Unheilvolle verklingt. Was bleibt, sind Bässe, die Bewegung gebieten.
Der Klang von Aufbruch? Zu früh gefreut: Im dritten Saal baut Leah King gerade ihre Geräte auf. Die Effektbox streikt, King kennt das, sie bittet den Tontechniker dazu. Statt ihr das Kabel zu geben, das sie braucht, beginnt er zu erläutern, wie Mikrofone funktionieren. »In Sachen Intoleranz kann mich nichts mehr überraschen«, kommentiert King den Vorfall am nächsten Tag, mit einem Augenzwinkern. »Bei f:p sind sehr starke, sehr entschiedene Leute aktiv«, sagt King. Nach baldiger Resignation klingt das nicht. Eher nach Rückendeckung.
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