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»Macri Ciao!«

In Argentinien kämpfen Feminist*innen für legale Abtreibungen und ein Ende der Sparpolitik

  • Juri Wasenmüller, Buenos Aires
  • Lesedauer: 4 Min.

Trommelwirbel und Sprechgesänge schallen durch das Zentrum von Buenos Aires. Wo sonst Busse und Autos fahren, werden Infozelte und Essensstände aufgebaut. Der Strom von Menschen, die ein grünes Tuch um den Hals oder ans Handgelenk gebunden tragen und auf den Vorplatz des Kongresses ziehen, hört über Stunden nicht auf. Grün, das ist die Farbe der argentinischen Kampagne zur Legalisierung von Abtreibung. Und diese hat am 28. Mai zu einer erneuten »grünen Flut« im ganzen Land aufgerufen.

Seit 14 Jahren gibt es die Kampagne schon und an diesem Dienstag präsentieren sie zum achten Mal einen Gesetzesvorschlag für legale, sichere und kostenlose Schwangerschaftsabbrüche. Im Juni 2018 kam es erstmals zu einer Debatte im Abgeordnetenhaus, eine knappe Mehrheit befürwortete das Gesetz. Zwei Monate später stimmte der Senat dagegen.

Es sind vor allem Schüler*innen, junge Frauen und Queers, die den Platz an diesem Herbstnachmittag einnehmen. Sie tragen grünes Glitzer im Gesicht und wirken entschlossen. Man merkt, dass sie mit der feministischen Bewegung der letzten Jahre groß geworden sind. Chiara Àlvarez ist 15 Jahre alt und mit ihren Schulfreund*innen da. »Wir haben kaum Sexualkundeunterricht an unserer Schule, obwohl es seit 2006 ein gesetzliches Recht auf eine integrale Sexualerziehung gibt. Die Aufklärungsworkshops, die alle paar Monate stattfinden, sind grottenschlecht. Also haben wir angefangen, uns selbst zu organisieren, Versammlungen in der Schule abzuhalten und uns gegenseitig zum Thema Abtreibung zu informieren.«

Während Chiara spricht, stimmen ihre Freund*innen den nächsten Song an: Ein selbstgetextetes »Bella Ciao«- Cover. Sie schleudern ihre grünen Halstücher in die Höhe und rufen dabei gen Kongress »Macri Ciao, Macri Ciao, Macri Ciao Ciao Ciao«. Dass im Oktober gewählt wird und dass die Sparpolitik des Präsidenten Macri nicht mehr auszuhalten ist, ist seit Monaten allgegenwärtiges Thema bei den feministischen Mobilisierungen.

»Zu einer Abstimmung über das Gesetz kommt es wahrscheinlich erst nach den Wahlen«, erklärt Victoria Tesoriero, die seit zehn Jahren in der Kampagne aktiv ist. »Unser Hauptziel ist es gerade, Einfluss auf den Wahlkampf zu nehmen und Druck aufzubauen. Die Kandidat*innen und Parteien sollen öffentlich Stellung nehmen, wie sie zum Thema Abtreibungslegalisierung stehen.«

500 000 Menschen sind an diesem Tag in über 100 argentinischen Städten auf der Straße. In den sozialen Netzwerken zirkulieren Fotos von Kundgebungen aus der ganzen Welt. Vor der Abgeordnetenkammer in Buenos Aires, dem Kongress, ist man sich sicher, dass Abtreibungen bald legal sein werden. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, so die Demonstrationsteilnehmer*innen.

Victoria Tesoriero selbst verbrachte die meiste Zeit des Nachmittags bei der Pressekonferenz im Kongress, die auf einem Bildschirm draußen live übertragen wird. Nachdem die 20 Punkte des Gesetzesentwurfs verlesen sind, brechen die Vertreter*innen der Kampagne drinnen wie die Menschen auf der Straße in Jubel aus. Noch am selben Tag unterschreiben 70 von 257 Abgeordneten den Gesetzesentwurf. Im Kern hat sich an den Forderungen seit vergangenem Jahr wenig verändert: Legale, kostenlose und sichere Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche, im Fall einer Vergewaltigung sowie wenn die Gesundheit oder das Leben der schwangeren Person bedroht sind, auch danach. Es sollen Beratungsstellen eingerichtet werden. Diese aufzusuchen, soll aber freiwillig bleiben. Ein Abbruch soll innerhalb von fünf Tagen in jedem öffentlichen Krankenhaus möglich sein. Veränderungen gab es bei der Inklusivität des Entwurfs: Es ist nicht mehr nur von Frauen die Rede, sondern von allen gebärfähigen Personen. Außerdem sollen Abtreibungen für alle Menschen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, zugänglich sein.

Als der offizielle Akt vorbei ist, stehen in den Straßen des Kongressviertels schon die Grills bereit. Bis kurz vor Mitternacht, denn ab dann ist Generalstreik angesagt und der öffentliche Verkehr steht für 24 Stunden still. Schon am nächsten Montag, den 3. Juni, wird sich der Platz wieder füllen. Das feministische Kollektiv »Ni Una Menos« (Nicht eine Mehr) ruft aus Protest gegen Femizide zum fünften Mal zur jährlichen Großdemo aus.

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