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Getrennte Wege in Sachsenburg
Ehrenamtliche Geschichtswerkstatt kündigt Zusammenarbeit mit Stadt Frankenberg auf
Im Jahr 2012 schien ein Gedenkort für das frühe KZ Sachsenburg in greifbarer Nähe. Sachsens Landtag beschloss in einer Novelle des Gedenkstättengesetzes eine institutionelle Förderung. Darum hatten Ehrenamtler wie Anna Schüller jahrelang gerungen. Die Lehrerin hatte die Initiative »Klick« begründet, in der Schüler an das zwischenzeitlich fast vergessene Lager erinnerten. Dort hatte das NS-Regime in einer alten Spinnerei im Tal der Zschopau seit dem Machtantritt bis 1937 rund 7200 Häftlinge interniert und misshandelt. Das Lager gilt als »Vorhölle von Buchenwald« und eines der wichtigsten seiner Art im Freistaat.
Seit der Novelle sind sieben Jahre vergangen - und in Sachsenburg geht es nicht voran. Zwar soll am 25. Juni immerhin ein »Pfad der Erinnerung« eingeweiht werden, der auf Stelen über das Lager informiert. Eine Gedenkstätte samt Ausstellung in authentischen Gebäuden und Bildungsangebote aber gibt es nicht - und wird es in absehbarer Zeit nicht geben: Ein Förderantrag, den die Stadt Frankenberg als Trägerin der Gedenkstätte an den Bund gerichtet hatte, wurde Ende 2018 abgelehnt. Dem eingereichten Konzept, teilt das sächsische Wissenschaftsministerium mit, fehle es an fachlicher Qualität; zudem gebe es kein Betreiberkonzept, unklare Eigentumsverhältnisse und Abrisspläne für eine ehemalige Kommandantenvilla, die einen »erheblichen Teil« des geplanten Ensembles ausmache.
Als ob dieser Rückschlag nicht bereits bitter genug wäre, trägt er auch noch dazu bei, dass ein Konflikt zwischen maßgeblichen Akteuren eskaliert. Die Initiative »Klick«, die mittlerweile als »Geschichtswerkstatt e.V.« firmiert, kündigte die Zusammenarbeit mit der Stadt Frankenberg auf. Die Vorstellungen zur Gedenkstätte gingen »grundsätzlich auseinander«, heißt es in einer Erklärung; von Bürgermeister Thomas Firmenich (CDU) sehe man sich »in keiner Weise unterstützt«. So sei man über die Ablehnung des Förderantrags nicht informiert worden. Das Fachwissen der Ehrenamtler werde gern in Anspruch genommen; bei wichtigen Entscheidungen würden »die Türen vor unseren Augen verschlossen«. Es finde, so das enttäuschte Resümee, »keine Partizipation« zur Gedenkstätte statt.
Das Verhältnis zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen wie der Geschichtswerkstatt und der Lagerarbeitsgemeinschaft auf der einen sowie Stadt und Stiftung sächsische Gedenkstätten auf der anderen Seite ist seit Jahren schwierig. Die Ehrenamtler erarbeiten Projekte, arbeiten sich durch Archive und organisieren Veranstaltungen, etwa ein Bürgerforum im Jahr 2018 oder eine am Mittwoch beginnende dreitägige Konferenz, auf der zusammen mit der bundesweiten AG »Gedenkstätten frühe Lager« und der Bundeszentrale für politische Bildung über die Geschichte von Sachsenburg und die Entwicklung der Gedenkstätte beraten wird. Stadt und Stiftung nehmen sie als zu wenig engagiert wahr. In der Frankenberger Kommunalpolitik wiederum wird beklagt, das Verhältnis zu den Ehrenamtlern sei »zuweilen schwierig«. Schüllers Initiative etwa sei »derart übermotiviert«, dass sie aus dem Blick verliere, welche Schritte in welcher Reihenfolge zu gehen seien, sagte die CDU-Stadträtin und Landtagsabgeordnete Iris Firmenich im April 2018 im Landtag. Der von der Geschichtswerkstatt geforderte Erhalt der Kommandantenvilla etwa überfordere die Stadt finanziell; er würde die Kosten für die Gedenkstätte von 1,2 auf 3,7 Millionen Euro erhöhen, schätzte Firmenich. Schüller ihrerseits merkt an, mit einem Abriss werde eine erneute Ablehnung des Förderantrags beim Bund »provoziert«.
Die Stadt ließ Fragen des »nd« zur Aufkündigung der Zusammenarbeit durch die Ehrenamtler unbeantwortet. Der Bruch ist durchaus nicht nur ein atmosphärisches Problem. Er widerspreche der Präambel des Gedenkstättengesetzes, sagt die grüne Landtagsabgeordnete Claudia Maicher - und gefährde eine spätere institutionelle Förderung der Gedenkstätte, die an eine Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure geknüpft ist. Maicher bezeichnet Initiativen wie die Geschichtswerkstatt als »Motor beim Aufbau der Gedenkstätte« und zeigt sich verärgert darüber, wie diese zuletzt von wichtigen Informationen abgeschnitten wurde: »So geht man nicht mit der engagierten Bürgerschaft um.« Die für Gedenkstätten zuständige Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) müsse nun aktiv werden und alle Beteiligten an einen Tisch holen, »wenn ihr die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Sachsen in einem der bedeutendsten frühen KZ wichtig ist«.
In Stanges Ministerium wiederum lobt man zwar das Engagement von Schüllers Initiative, das »nicht hoch genug einzuschätzen« sei. Gerade nach Ablehnung des Förderantrags, der laut Ministerium überarbeitet und 2019 neu gestellt werden soll, sei es »wichtig und notwendig«, dass alle Akteure zusammen arbeiten. Zugleich wird aber betont, Träger der Gedenkstätte sei die Stadt, die zivilgesellschaftliche Akteure »in der ihr sinnvoll erscheinenden Art und Weise« beteilige. »Eine solche Gedenkstätte«, teilt das Ministerium auf Anfrage des »nd« mit, müsse »aus der Kommune heraus wachsen und gewollt sein«. Was tatsächlich gewollt ist - darüber kann man sich womöglich bei der morgen beginnenden Konferenz austauschen, für die auch Frankenbergs Rathauschef Firmenich als Referent angekündigt ist.
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