Spätsowjetische Depression auf Glückspillen

Rainer Hank äußert in der »FAZ« Unverständnis darüber, dass alle über den Klimawandel reden

  • Tim Wolff
  • Lesedauer: 3 Min.

Rainer Hank befüllt die Kolumne »Hanks Welt« im Wirtschaftsteil der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«, einem der Orte, in den die Meinung der Herrschenden diffundiert. Und er hat Interessen: »Was mich interessiert, ist nicht der Klimawandel als Faktum. An dessen von Menschen verursachter global-planetarischer Wucht ist nicht zu zweifeln« - denn ist das Kind in den Brunnen gefallen, ist das Problem nicht die Rettung eines Ertrinkenden, sondern die Überreaktion derer, die das Wasser abpumpen wollen -, »was mich beschäftigt, ist die Frage, warum scheinbar plötzlich der Imperativ des Verzichts weltweit, aber vor allem auch deutschlandweit so viel Zustimmung bekommt, so dass es fast so scheint, als sei radikale Askese nicht nur alternativlos, sondern auch das einzige wirkungsvolle Mittel, den Klimawandel aufzuhalten oder zumindest zu verzögern.« Das falsche »scheinbar«, mit dem er das Gegenteil seiner Intention ausdrückt, das chauvinistische »weltweit, aber vor allem auch deutschlandweit«, die Projektion, mit der er die Alternativlosigkeit des Kapitalismus auf eine imaginäre »radikale Askese« projiziert, die dämliche Redundanz ab »nicht nur« - dieser Satz ist ein Manifest des herrschenden Denkschadens.

Hank leugnet nicht wie die härtesten Apologeten des Kapitalismus die Klimakatastrophe, aber ausschließlich als Bedrohung für die einzig wahre Wirtschaftsordnung begreift er sie schon, daher muss er Wissenschaft in Religion umdeuteln: »Ganz offensichtlich hat die Ethik des Verzichts ihren Ursprung in einer religiösen Praxis, aus deren Kontext sie sich emanzipiert und säkularisiert hat.« Ganz offensichtlich gibt es aber gar keinen Verzicht, eilt die Menschheit, vor allem in ihren kapitalistischen Hochburgen, von einem Verbrauchsrekord zum nächsten. Kein Grund, nicht auszurufen: »Die Asketen übernehmen die Macht.« Was schreckliche Folgen hat: »Lässt man die Ziele - Klimawandel aufhalten! - einen Moment lang außer Acht, so bleibt nicht verborgen, dass die Fluchtlinie der neuen Klima-Askese eine Welt ist, in welcher Freude, Fortschritt und Wohlstand kaum mehr einen Platz haben.« Lässt man die Gefahr einer Erde ohne Leben außer Acht, ist das eigentliche Problem, dass Rainer Hank gezwungen sein könnte, sich nach SUV-Fahrten zum Metzger zu sehnen.

Dabei löst sich das Klimaproblemchen von selbst, wenn man nur dem Kapitalismus vertraut: »Fortschrittsverträglichere Maßnahmen gegen den Klimawandel wären dagegen institutionelle Änderungen (die CO2-Steuer oder die Ausweitung des Handels mit Verschmutzungsrechten), die über Anreize funktionieren, aber nicht über Verzichte und Verbote … Der Einwand, solche ökonomisch-institutionellen und technisch-innovativen Konzepte dauerten viel zu lange, bis sie wirken, verfängt nicht wirklich: Er muss sich die Gegenfrage gefallen lassen, wie viel es bringt, wenn wir Deutschen alle am Ende nur noch Kartoffeln aus dem Garten essen und nie wieder von Frankfurt nach Berlin fliegen.« Trotz aller Warnungen einer ja auch unter kapitalistischen Bedingungen arbeitenden Wissenschaft versagen genau diese »fortschrittsverträglicheren Maßnahmen« seit über vierzig Jahren grandios. Es ist schon eine erstaunliche Verblendung, lächerlicher noch als, sagen wir: der Versuch eines Politbüros, eine akute Kernschmelze ideologisch auszuschließen. Es ist nicht die sprichwörtliche spätrömische Dekadenz, mit der alles zusammenbricht. Es ist eine Art spätsowjetische Depression, gedämpft von den Glückspillen des idiotischen Konsums, den die Hanks dieser Welt für »Freude und Fortschritt« halten, die im Angesicht der Katastrophe Sätze wie diese hervorbringt: »Mag sein, dass es nötig ist, unser Leben zu ändern. Es hat den Menschen aber auch noch nie geschadet, sich etwas Neues einfallen zu lassen.« Neues wie »Anreize«.

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