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- Unterricht in der Corona-Pandemie
Schule fernab der Normalität
Kultusminister der Länder legen einen Plan vor, wie Schüler bis zu den Sommerferien lernen sollen
Seit sechs Wochen sind die Schulen jetzt schon verwaist. Während sich sonst fast alle auf die Ferien freuen, um eine Pause vom Lernen zu haben, erfahren die Schulen jetzt, wo ihr Betrieb jäh per Anordnung geschlossen wurde, eine ungewohnte Wertschätzung. Denn sie werden weniger als Lernfabriken wahrgenommen, sondern auch als soziale Orte, wo Freundschaften entstehen, an denen verschiedene Milieus zusammenkommen, und die dafür sorgen, dass - allen pädagogischen Defiziten zum Trotz -, überhaupt über Chancengleichheit diskutiert werden kann. Ohne Schulen würde der Einfluss der Eltern bei der Bildung noch viel entscheidender sein.
Für die Mehrheit der Eltern sind die Schulschließungen jedoch längst zu einer Belastung geworden. Fast die Hälfte (43 Prozent) gab kürzlich bei einer Umfrage der Vodafone-Stiftung an, dass es für sie schwierig ist, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen. Viele sehnen sich nach einem Ende des Unterrichts daheim, der oft wie ein Berg von Hausaufgaben ist, der abgearbeitet werden muss. Gerade Eltern mit niedrigen Bildungsabschlüssen befürchten, dass ihre Kinder den Anschluss an den Schulstoff verlieren könnten.
Die Kultusminister der Länder beraten schon lange, wie zum Unterricht an den Schulen zurückgekehrt werden kann. Leicht wird das nicht, gleicht doch der normale Schulbetrieb einer »Großveranstaltung«, wie es die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) jüngst sagte. Schnell können die Einrichtungen zur »Virenschleuder« werden. Eine unbedachte Wiedereröffnung der Schulen, ein Nachgeben der Wünsche vieler Eltern, kann mitunter dazu führen, dass es bei der Eindämmung des Coronavirus einen Rückschlag gibt.
Dennoch wollen die Kultusminister, dass jede Schülerin und jeder Schüler noch vor den Sommerferien zumindest tageweise die Schule besuchen kann. Ein Präsenzunterricht soll eng mit dem digitalen Lernen verzahnt werden. Das sagte die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD), am Dienstag nach dem Abschluss der Beratungen. Im Gespräch ist nun, dass die Klassen geteilt werden und dann jeweils abwechselnd in die Schule gehen oder daheim lernen.
Immerhin soll die Bindung zur Schule bald wieder enger werden. Aber ein »reguläres Unterrichtsgeschehen« werde in diesem Halbjahr nicht mehr stattfinden, erläuterte Hubig. Dies sei allein schon wegen der Abstandsregelungen zur Vermeidung einer Infektion mit dem Coronavirus nicht möglich. Schülerinnen und Schüler mit einem besonderen Unterstützungsbedarf sollten zudem mit Computern oder Laptops ausgestattet werden.
»Wir haben unseren Auftrag jetzt erfüllt«, erklärte die KMK-Vorsitzende. Die Kultusminister haben ein Rahmenkonzept für die Wiederaufnahme des Unterrichts erstellt. Darüber sollen die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag beraten.
Für weitere Schritte der Schulöffnung wird maßgeblich sein, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt. Alle Länder haben mittlerweile Hygienepläne für die Schulen aufgestellt, die sich an den Regelungen in Rheinland-Pfalz orientieren. Die Schüler sollen nicht dazu verpflichtet werden, einen Mund-Nase-Schutz in den Räumen zu tragen.
Ob jedoch alle Bundesländer bei den Schulöffnungen einen gemeinsamen Weg gehen, bleibt abzuwarten. In Hessen hat der Verwaltungsgerichtshof am vergangenen Freitag die Wiederaufnahme des Unterrichts für Viertklässler vorerst untersagt. Auch in Rheinland-Pfalz klagen Eltern gegen einen Präsenzunterricht in der letzten Grundschulklasse. Und in Bayern kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bis zum Wochenende eigene Konzepte zur Lockerung der Coronabeschränkungen in den Schulen an. Auch sein Ziel lautet, die Kinder und Jugendlichen, »ganz langsam vorsichtig wieder heranzuführen an den Schulalltag, aber mit allen maximalen Schutzmaßnahmen«.
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