Schwedischer Investor spielt Monopoly

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit hat die Skjerven-Gruppe Häuser im Paket erworben - die Mieter hoffen auf das Vorkaufsrecht

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

»Oslo ist keine schwedische Kolonie«, steht auf einer Liste mit Sprüchen, die auf Demo-Transparente gemalt werden sollen. Die Mieter der Osloer Straße 93, 93a und der Koloniestraße 13 - sie nennen das Ensemble »Osko« - haben zum »Malen gegen Verdrängung« eingeladen. Der Grund: Anfang Mai sind ihre Häuser von der Skjerven-Gruppe im Auftrag eines schwedischen Immobilieninvestors gekauft worden. Am Donnerstag kommen deshalb etwa 80 Mieter, Nachbarn und Unterstützer zusammen, um den Bezirk Mitte aufzufordern, sein Vorkaufsrecht für die Häuser auszuüben.

»Wir befürchten, zum Spekulationsobjekt zu werden und durch Mieterhöhungen zum Ausziehen gezwungen zu werden«, schreiben die Mieter in ihrem Aufruf. Einer von ihnen, der namentlich nicht genannt werden möchte, glaubt, dass die etwa 100 Mieter umfassende Hausgemeinschaft »rausgeekelt« und das Haus eventuell in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden soll. Auch was die drei Gewerbemieter in den Häusern betrifft, ist er wenig optimistisch. »Das Künstleratelier oder der Copyshop werden sich wahrscheinlich nicht halten können, wenn es dem neuen Eigentümer um den Profit geht.«

Vom Bezirk haben die Bewohner erfahren, dass ihre Häuser den Besitzer gewechselt haben. Der neue Eigentümer, die Skjerven-Gruppe, ist nicht neu auf dem Berliner Immobilienmarkt. Im Dezember hat das Unternehmen 21 Häuser in der Hauptstadt für die schwedische Immobilienfirma Heimstaden Bostad AB gekauft. Laut Unternehmen handelte es sich dabei um die zu dem Zeitpunkt »größte privatwirtschaftlich getriebene Transaktion am Berliner Wohnungsmarkt seit Bekanntgabe der Pläne zum Mietendeckel«.

Was die neuen Eigentümer mit den Häusern unweit des U-Bahnhofs Osloer Straße vorhaben, ist unklar. Eine nd-Anfrage ließ das Unternehmen unbeantwortet. In einer Pressemitteilung der Skjerven-Gruppe von Ende letzten Jahres heißt es zwar, dass Heimstaden das »Portfolio langfristig halten« wolle. Das muss jedoch nicht für die Bestandsmieter gelten. In der Vergangenheit hat das Unternehmen beispielsweise in der Charlottenburger Eisenzahnstraße Mietwohnungen in luxuriöse Mikroapartments umgebaut.

Die Immobilienfirma ist sich sicher: Die »Vielzahl an gesetzlichen Restriktionen und die unübersichtliche politische Situation in Berlin« werden »das Investoreninteresse kaum stoppen«. Um dem nicht zum Opfer zu fallen, hoffen die Mieter auf den Stadtentwicklungsstadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD). Denn die drei Häuser liegen im Milieuschutzgebiet Reinickendorfer Straße. Der Bezirk hat deshalb die Möglichkeit, im Rahmen des Vorkaufsrechts die Häuser beispielsweise von einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft kaufen zu lassen.

»Eine mögliche Ausübung des Vorkaufsrechts ist in der Prüfung bei Degewo und WBM«, sagt Gothe zu »nd«. Er sei jedoch nicht optimistisch, dass der Vorkauf gelinge. »Die Wohnungsbaugesellschaften sagen, dass sie auch unter dem Mietendeckel leiden. Ihnen fehlen Einnahmen, mit denen sie gerechnet hatten«, so Gothe.

Wie so oft bleibt nicht viel Zeit. Weil die Häuser bereits Anfang Mai den Besitzer wechselten, muss wegen der Zwei-Monats-Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts bis Juli ein alternativer Käufer gefunden sein.

»Mal wieder muss die Politik hier Feuerwehr spielen«, sagt Grünen-Abgeordnetenhausmitglied June Tomiak. Sie ist im Wedding aufgewachsen, kennt den Copyshop im Haus seit ihrer Kindheit und ist mit einem der Mieter in die Grundschule gegangen. Sie meint, der Kiez habe sich verändert. Nicht nur weil alte Läden verschwunden seien, sondern auch, weil Immobilieninvestoren mitunter Häuser kauften und versuchten, diese zu entmieten.

Gleich nebenan könne man sehen, wie sehr sich der Wedding verändert habe, erzählt der Mieter aus der Osloer Straße. Dort steht eines dieser privaten Studentenwohnheime mit möblierten Ein-Zimmer-Appartments. »Wer dort wohnt, zahlt für sein 20 Quadratmeter großes Zimmer mehr als wir für unsere ganze Wohnung.« Für ihn ist der Protest gegen den neuen Eigentümer noch nicht vorbei. Am Sonntag geht es nach Moabit zu einer Demonstration in der Waldenserstraße 9. Auch dort hat die Skjerven-Gruppe zugeschlagen.

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