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  • »Artists against Antisemitism«

Alte Hetze in neuen Medien

Nach judenfeindlichen Ausfällen im Internet: Die neue Initiative »Artists against Antisemitism«

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es waren nur zwei Worte, die einen wahren Sturm der Entrüstung auslösten. »Stoppt Antisemitismus«, postete der Schauspieler Elyas M’Barek (u. a. »Fack ju Göhte«) Mitte Mai auf seinen Kanälen in den sozialen Medien. Als Reaktion auf die unzähligen antisemitischen Äußerungen auf Demonstrationen in Deutschland und in den sozialen Medien gedacht, interpretierten es viele seiner Follower als Akt der Solidarität mit dem Staat Israel. Die aufgebrachte Menge identifizierte M’Barek daraufhin als Zionisten beziehungsweise als »Marionette«, die für die israelische Sache instrumentalisiert wurde.

Besonders heftig reagierte der Schauspielerkollege und Deutschrapper Massiv auf den Post. Er warf M’Barek unter anderem vor, sich zu schade dafür zu sein, etwas »Schönes« für seine Geschwister zu schreiben. Der Schauspieler hätte, anstatt »auf die unterdrückten Menschen hinzuweisen«, nur sein persönliches Wohlergehen im Sinn gehabt. Die Tirade gegen M’Barek würzte Massiv mit der Spekulation, dass der Schauspieler sich für »seine Bavaria Filmgang« entschieden habe, weil dies ein »höheres Budget« und »besseres Catering« bedeute.

In seinem Statement bedient der aus Pirmasens stammende Rapper auch eine uralte antisemitische Mär, indem er behauptet, dass Israelis »die minimale Wasserzufuhr in den Gaza versalzen« würden. Eingeschüchtert von den unzähligen negativen Reaktionen erklärte sich M’Barek im Internet: »In keinem Moment habe ich mit meinem letzten Post auf den Konflikt im Nahen Osten angespielt. Es ging mir ausschließlich um die Situation in Deutschland.«

Nun hat sich die Initiative »Artists against Antisemitism« (AAA), also »Künstler gegen Antisemitismus«, gegründet, um nicht weiter untätig dabei zuzusehen, »wie der Antisemitismus und sein nicht minder gefährlicher Zwilling, der Antizionismus, immer präsenter werden und mutiger auftreten«. Bekannte Bands wie Frittenbude oder Die Sterne wollen mit der Kampagne auf den unhaltbaren Zustand hinweisen, dass Synagogen in Deutschland rund um die Uhr geschützt werden müssen und jüdischen Menschen aus Sicherheitsgründen empfohlen wird, im öffentlichen Raum keine Kippa oder andere Kennzeichen, wie etwa Kettenanhänger, zu tragen. Diesem Anliegen haben sich auch der Schauspieler Robert Dölle, die Kolumnist*in Hengameh Yaghoobifarah, der Schriftsteller Franz Dobler, der Sänger Karsten Troyke und die Rockband Tocotronic angeschlossen.

»Antisemitismus ist ein Problem, das sich über alle politischen Spektren und subkulturellen Szenen erstreckt«, erklärt Torsun, einer der Initiatoren, gegenüber »nd«. Leider betreffe dieses Problem auch die linke Szene. »Immer öfter nutzen Künstlerinnen ihre Bühne, um für BDS-Kampagnen oder ähnliche antizionistische Agitation zu werben«, so der Sänger der Band Egotronic weiter. BDS steht für »Boycott, Divestment and Sanctions« (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen). Solche antisemitischen Entwicklungen müssen analysiert und vor allem kritisiert werden. Ziel von AAA sei es, zu zeigen, dass jede und jeder Einzelne diesen Zuständen etwas entgegensetzen kann.

Bisher setzten mehr als 400 Unterstützer, die allermeisten davon sind Kunstschaffende, ihre Unterschrift unter den Aufruf der Initiative. Die Organisatoren gehen davon aus, dass sich in den nächsten Wochen weitere Künstler anschließen werden. »Wir stehen erst am Anfang«, sagt Torsun. Für die Zukunft sind weitere Aktionen geplant, auch jenseits des World Wide Web. Ziel sei es, ein Netzwerk zu etablieren, das die von Antisemitismus betroffenen Menschen unterstützt und sie nicht allein stehen lässt.

Aufruf und Unterzeichner hier: artistsagainstantisemitism.org

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